In Reutlingen saß ein Rechtsanwalt auf der Anklagebank. Der 71-Jährige soll einen Asylbewerber vergewaltigt und bedroht haben. Vor Gericht gab es Hinweise auf weitere potenzielle Taten des Angeklagten.
Das Amtsgericht Reutlingen hat am Montag einen Anwalt wegen Vergewaltigung eines Mandanten verurteilt. Der 71-jährige Anwalt soll seine Machtposition ausgenutzt und einen nigeranischen Asylbewerber in seiner Kanzlei zu Oralverkehr gezwungen haben.
Der verantwortliche Richter Eberhard Hausch schilderte dem "Spiegel" gegenüber den Fall, welcher sich im vergangenen Jahr ereignete: Bei einem Treffen in der Kanzlei habe der Anwalt seinem 31-jährigen Mandanten gesagt, dass es für dessen Asylverfahren hilfreich sei, wenn er aus den Fluchterfahrungen entstandene Traumata nachweisen könne. Der Anwalt habe gesagt, dass sexuelle Störungen ein mögliches Symptom hierfür seien. Sein Mandant verneinte an derartigen Störungen zu leiden.
Reutlingen: Weiteres potenzielles Opfer sagt vor Gericht aus
Bei einem darauffolgenden Treffen soll der 71-jährige Anwalt behauptet haben, er sei vom Verwaltungsgericht dazu ermächtigt, selbst eine körperliche Untersuchung an seinem Mandanten vorzunehmen. Während und nach der Vergewaltigung habe er ihm gedroht, ihn abschieben zu lassen oder ins Gefängnis zu bringen, falls er jemandem von der Tat erzähle.
Trotz jener Drohungen wandte sich der 31-Jährige an eine Anwältin, welche ihn im Prozess als Nebenkläger vertrat. Nachdem die lokale Presse über den Fall berichtet hatte, meldete sich ein weiterer Anwalt bei den Ermittlern: Einer seiner früheren Mandanten hätte ähnliche Anschuldigungen gegen den angeklagten Rechtsanwalt erhoben. Jedoch befand er die Geschichte damals für unglaubwürdig, mittlerweile sehe er es aber anders. Jenes früheres Opfer sagte nun im Prozess aus und nannte die Namen weiterer möglicher Geschädigter.
"Ich bin übergriffig geworden und habe meine berufliche Stellung ausgenutzt"
Vor Gericht bestritt der Beschuldigte zunächst die Tat, gestand aber im weiteren Verlauf des Verfahrens. "Ich bin übergriffig geworden und habe meine berufliche Stellung ausgenutzt", ließ er durch seine Anwälte mitteilen. Das Gericht verurteilte den 71-Jährigen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einem dreijährigen Berufsverbot. Darüber hinaus muss er jeweils 15.000 Euro an die Bewährungshilfe und das Asylcafé Reutlingen sowie dem Geschädigten 5000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Anwalt wird wegen ähnlicher Vorwürfe weiterermittelt.
Und was denken Sie daran ?