Hört auch Ihr Kind "Hoss und Hopf"? Eine Mutter entdeckt, warum ihr Sohn plötzlich AfD-Sprüche klopft. Ursache ist ein Podcast, der nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Menschen im Monat erreicht.
Mein Sohn ist 14 Jahre alt, smarter Typ, beliebt.
Mein Sohn würde die AfD wählen.
Es fing harmlos an – und ehrlich gesagt, höre ich manchmal nicht so genau hin, wenn mein Sohn schimpft. "Die sollen sich mal mehr um die Deutschen kümmern, unsere Politiker", sagt er irgendwann vor ein paar Monaten beim Vorbeigehen in der Küche. Kurz stutze ich, frage aber nicht nach.
Wenig später erzählt er beim Abendbrot, warum er mit Krypto reich und berühmt werden will. Easy. Weil ein Typ, dessen Podcast er hört, Bentley fährt und in Dubai wohnt. "Mama, das ist ein mega Bro', mit Krypto!" Mein Sohn neigt zum Größenwahn. In seinem Alter völlig normal. Auch hier steige ich nicht ein.
Etwas später sitzen wir in den Ferien zusammen im Mietauto. "Wie kann es sein, dass mit den Steuern deutscher Bürger die Flüchtlingsschiffe bezahlt werden, die die Flüchtlinge an der Küste in Afrika abholen, in größere Boote setzen und nach Italien bringen? Das geht überhaupt nicht", sagt mein Sohn.
"Die Typen sind Gurus"
Ich drehe mich zur Rückbank. Woher er das habe, frage ich. Aus dem Podcast, den alle hören. Die Typen seien Gurus, die hätten "krass Ahnung". Wer? Na, "Hoss und Hopf". Wir schalten den Podcast ein – und hören diese Folge #108 zusammen: "Unterstützt Elon Musk die AfD?" heißt sie.
Nach den ersten Minuten schauen mein Mann und ich uns entgeistert an, bald stoppen wir nach nahezu jedem Satz der beiden Podcast-Hosts Philip Hopf und Kiarash Hossainpour und diskutieren ihn mit unserem Sohn.
"Hoss und Hopf": "Deutschland hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen europäischen Länder zusammen. Um sich das mal vorzustellen, wenn man es sich vorstellen möchte, reicht auch ein Blick in eine deutsche Fußgängerzone."
Wir zu unserem Sohn: Ja, Deutschland hat viele Geflüchtete aufgenommen, weil wir Verantwortung tragen, weil wir als reiche Nation dazu in der Lage, ja auch verpflichtet sind. Außerdem sagt ein Blick in eine deutsche Fußgängerzone überhaupt nichts über den Anteil der Geflüchteten in der deutschen Gesellschaft aus.
Keine Homepage, keine Redaktion, nichts
"Hoss und Hopf": "Dort ist ein Post von Radio Genoa, also wahrscheinlich eine Radiostation aus der italienischen Stadt Genua (…), dieses Radio Genoa schreibt: Lasst uns hoffen, die AfD gewinnt die Wahlen, um den europäischen Selbstmord zu verhindern."
Wir: Radio Genoa hat keine Homepage, keine Redaktion, nichts. Es scheint eine reine Social-Media-Plattform zu sein. Später finde ich Recherchen der "Neuen Zürcher Zeitung", die schreibt, Radio Genoa veröffentliche zum Beispiel verstörende Videos, in denen Migranten Frauen angreifen. Es werde vermutet, dass hinter der Plattform ein "russlandfreundliches Desinformationsnetzwerk" stecke, eine "Fake News Küche".
"Hoss und Hopf": "Stuttgart war ja mal die sicherste Stadt Deutschlands (…) Jetzt werden diese Statistiken nicht mehr erhoben, weil es so schlecht geworden ist, dass man einfach nicht mehr drüber redet, ja, dass bei uns auf der Königstraße Frauen teilweise tags und teilweise nachts vergewaltigt werden, ja."
Wir: Stuttgart zählt immer noch zu den sichersten Städten Deutschlands. Regelmäßig veröffentlicht das Bundeskriminalamt die polizeiliche Kriminalstatistik. Und ja, vielleicht ist die Königstraße nicht die sicherste Straße und, ja, es gab im Sommer eine Meldung über eine angebliche Vergewaltigung auf der Königstraße in Stuttgart. Jedoch war diese Vergewaltigung erfunden. Die Frau hat gegenüber der Polizei die Falschaussage eingeräumt.
Nach einer Stunde haben wir uns den Mund fusselig geredet, vor- und zurückgespult, und steigen bei Minute 14 aus dem Podcast aus. Bis dahin dachten wir, unser Sohn sei sozial, sensibel und sattelfest erzogen. Vor allem kritisch und gewappnet gegen die dümmsten populistischen Aussagen.
Ist er nicht.
Familienregel: Parolen hinterfragen
Wir erklären ihm, was es bedeutet, mit Wortbildern Hass zu schüren, zu framen, Schlagwörter aus irgendwelchen Tweets als Quellen zu zitieren. Unser Sohn zuckt nur mit den Schultern – schwer zu sagen, was bei ihm ankommt. Wir erklären ihm, was es alles braucht, um sich eine differenzierte Meinung zu bilden.
Oberste Familienregel: die Parolen von "Hoss und Hopf" zu hinterfragen – des nach eigenen Angaben erfolgreichsten Podcasts Deutschlands. In Podcastranglisten der Plattformen wie Spotify und Apple Podcasts belegt er tatsächlich regelmäßig die ersten Plätze. Hunderttausende hören ihn, darunter viele Jugendliche. "Monatlich aktuell zirka zwei Millionen individuelle Hörer", schreibt Podcastmacher Philip Hopf auf Anfrage.
Es gibt das Format seit September 2022, es wird auf den Podcast-Plattformen hochgeladen und für Youtube als Video produziert. Stand jetzt gibt es 144 Folgen. Die Abonnentenzahl auf Youtube liegt bei mehr als 180.000, einzelne Folgen sehen dort bis zu eine halbe Million Menschen. Diese Video-Downloads kommen on top auf die Podcast-Downloads. Und on top auf die Reichweite der Inhalte auf Social Media. Dazu später mehr.
Wer sind "Hoss und Hopf"?
Auf dem Kanalbild des Podcasts trägt Philip Hopf eine Brille mit blauen Gläsern, Dreitagebart und Glatze. Links neben ihm steht sein Kompagnon Hoss, eigentlich Kiarash Hossainpour. Er ist deutlich jünger, hat dichtes, gelocktes Haar und die Arme entschlossen vor der Brust verschränkt.
Hopf ist laut Homepage und seiner eigenen Email-Signatur geschäftsführender Gesellschafter einer Investment-Beratung. Außerdem ist er jüngst Vater eines Sohnes geworden, wie er im Podcast erzählt. Er ist regelmäßig auf Videos zu sehen, in denen er zufällig, "random" (mein Sohn), deutsche Rentner auf der Straße anspricht, ihnen mehrere Hundert Euro in die Hand drückt und beteuert, dieses Geld bekämen sie einfach so. Für ihren Einsatz für dieses Land. Die Rentner fangen oft an zu weinen, viele kommen mir beschämt vor. Diese Szenen werden gefilmt und bei Youtube veröffentlicht.
Kiarash Hossainpour, den kennen Sie schon. Krypto, Dubai, Bentley. Er bezeichnet sich als Selfmade-Millionär mit iranischen Wurzeln und wird vom "Handelsblatt" in einem Video als "Bitcoin-Experte" betitelt. Wer sich genauer mit ihm beschäftigen will, findet wenig in den Medien. Bei "Business Insider" gibt es zwei Inhalte zu Hossainpour im Netz. Der erste: Wie er mit Krypto-Investment zum Millionär wurde. Das erzählt er in dem Finanz-Podcast "Money Mindset" des Mediums. Der zweite: Wie er beim Krypto-Crash Millionen verloren hat. Seine Posts auf Instagram: Foto von Hoss mit Bentley – keine Ahnung, ob er einen fährt. Hoss erzählt in einer Geschichte von seinem "Uhrenhändler in Dubai" – gut, ich habe auch schon mal eine Casio-Uhr im Urlaub gekauft.
Reichweite mit Hilfe einer TikTok-Armee
"Hoss und Hopf" sind auch auf TikTok präsent. Mehr als präsent: Es gibt eine kleine Armee an TikTokern, die "Hoss und Hopf"-Inhalte kostenfrei verbreiten: Viele, sehr viele Kanäle schmücken sich mit dem Logo von Hoss und Hopf. Sie heißen "hoss_u_hopf_clips" oder "hossundhopftruth". Der erfolgreichste Verbreiter ist "hossundhopfpodcasst" und hat mehr als 160.000 Follower.
Jetzt fragen Sie sich, wie ich das gemerkt habe?
"Geil, ich werde reich, Mama", sagt mein Sohn jüngst. Und ich falle fast vom Stuhl, als ich sehe, wie er das anstellen möchte: Auch er verbreitet "Hoss und Hopf"-Content – vermutlich in der Hoffnung, dort mit viel Reichweite viel Geld machen zu können. Zum Beispiel postet er einen Videoclip über Mineralwasser. Hopf behauptet darin, die Marke "Black Forest" habe "einen Mikrosiemenswert von 55. Mikrosiemenswert misst die Einzelbestandteile im Wasser. Je weniger es ist, desto besser. Du willst nicht viel haben, das ist ein Märchen, Du willst wenig haben. Du willst ein Wasser, das quasi fast leer ist wie ein trockener Schwamm, das, wenn er in Deinen Körper reingeht, dann die ganzen Schadstoffe mit rausnehmen kann. Ein Wasser, das mineralisch sehr hoch angereichert ist, kann nichts mehr mitaufnehmen, es geht quasi hier rein und unten wieder raus, Du willst ein Wasser, dass Dich selbst reinigt, also ein Wasser, das sehr arm ist an Einzelbestandteilen. Das ist Black Forest, das beste in Deutschland und das beste Europas ist Lauretana."
Ich schreie. Christoph Koch, Leiter des stern-Wissenschaftsressorts, lacht sich schlapp und sagt zu dieser Theorie: "Totaler Blödsinn, das geht rein physikalisch schon nicht." Ich lache nicht, mir ist schlecht.
"Epsteins geheime Verbindungen zu Deutschland"
Ein letztes Beispiel, auch wenn's weh tut: Am 12. Januar veröffentlicht der Podcast-Kanal auf Youtube Folge 136: "Epstein's geheime Verbindungen zu Deutschland". Richtig, es geht den beiden hier um Jeffrey Epstein, den verurteilten Sexualstraftäter, der sich in den USA im Gefängnis suizidiert hat. Philip Hopf habe auf einer Liste etwas entdeckt, sagt er. Da gehe es darum, "welche Gelder und zwar Steuergelder von uns Bürgern, die geknechtet werden, die immer weniger Geld haben, die immer weitere Steuererhöhungen annehmen müssen, welche Steuergelder dafür benutzt werden, um auf der ganzen Welt irgendwelche Infrastrukturprojekte oder überhaupt nur Projekte zu unterstützen, ja."
Und dort fällt ihm ein Punkt auf: "Das Projekt heißt TerraMar in Brasilien, bezahlt von der Bundesregierung, 7.987.000 Euro."
Dann gibt er TerraMar bei Wikipedia ein und findet raus: "Das TerraMar-Projekt war eine selbsternannte gemeinnützige Umweltorganisation. Sie wurde 2012 in den USA von der verurteilten Sexualstraftäterin Ghislaine Maxwell gegründet."
Hopf führt noch etwas aus und Kiarash Hossainpour schlussfolgert: "Also hat die Bundesregierung acht Millionen Euro an Jeffrey Epstein gespendet?"
Hopf: "Es sieht so danach aus." Er scheint vor investigativem Stolz fast zu platzen.
Nun könnte ihnen diese Recherche endlich gewaltig um die Ohren geflogen zu sein. Denn Ende Januar veröffentlichen die beiden eine Folge, in der sie einige ihrer Aussagen als "falsch" einräumen: "Das passiert eben manchmal" und "Fehler einzugestehen ist keine Schwäche, es ist eine Stärke". Unter anderem geht es auch um TerraMar. Denn das eigentliche von der Bundesregierung geförderte TerraMar-Projekt sei ein ganz anderes als das angebliche TerraMar-Projekt von Maxwell. Ups. In der aktuellen Youtube-Folge 136 ist diese Aussage nun auch nicht mehr zu finden. Rausgeschnitten. Allerdings ist sie ungeschnitten noch bei Spotify und Apple Podcasts zu hören.
"Hoss und Hopf": Falsche Aussagen immer noch im Podcast
Mmh. Und dass obwohl Philip Hopf auf Nachfrage des stern versichert: "Wir sehen uns in der Verantwortung, möglichst professionell Research zu betreiben und setzen das nun auch so um mit eigenen Fakten Checkern. Eigene Fehler ansprechen gilt für uns dabei als Selbstverständlichkeit." Nachfrage: Aber was passiert mit falschen Aussagen in früheren Sendungen? Hopf per Mail: "Sollten wir darauf aufmerksam gemacht werden, würden wir diese auch revidieren." Zumindest nicht in dieser Podcastfolge 136.
Gegen Ende dieser – Zitat – "Transparenz-Offensive" warnen die beiden ihre User, also meinen Sohn. Die sollen Aussagen aus ihren Podcasts nicht "verschneiden". Ich übersetze frei: Die User sollen also die Kurzvideos, mit denen sie für Riesenreichweite auf TikTok sorgen, bitte verantwortungsvoll kürzen und nicht verfälscht verbreiten. "Hoss und Hopf": "Leute, seid auch vorsichtig!" und: sie böten ein offenes Ohr, wenn sie falsch lägen.
So redet nur einer, der den Flaschengeist, den er rausgelassen hat, gar nicht einfangen will.
Nun sind also die Kinder, mein Sohn, für den Blödsinn verantwortlich, den die beiden erzählen. Sie sollen das Zuspitzen bitte verantwortungsvoll betreiben? Sie haben doch von den Besten gelernt: Der Erfolg von "Hoss und Hopf" beruht ja gerade darauf, mit pointierten Sätzen viral zu gehen.
Und jetzt greift ein irres Schnellballsystem: Mein Sohn teilt zugespitzte Aussagen. Die werden vielfach geliked. Was meinem Sohn recht gibt und wodurch er annimmt, das bestätige die vermeintliche Wahrheit dieser Thesen. Also: Weil der Blödsinn so gut klickt, machen alle mit, und es wird am Ende als richtig wahrgenommen. Mein Kind wird zum Experten. Findet er gut.
In den Folgen, die ich mir angetan habe, haben Fakten übrigens tatsächlich eine Tatsachengrundlage. Allerdings eine aus meiner Sicht völlig eindimensionale.
In der Folge "So verschwendet Deutschland Milliarden Steuergelder" sprechen "Hoss und Hopf" weiter über die Liste der Projekte, die Deutschland im Ausland unterstützt. Diese Liste stimmt, Quelle ist ja die Bundesregierung selbst. Eingeordnet wird sie von Philip Hopf so: "Kohle muss bei uns im Land bleiben, da müssten die Bürger darüber abstimmen, für was das Geld mit dem Schaufelbagger von unseren vollkommen inkompetenten, nichtsnutzigen Politikern hier ausgegeben wird."
Auf den populistischen Charakter dieser Aussage angesprochen erwidert Philip Hopf: "Uns ist bewusst, dass diese Einschätzung von mindestens 48% der deutschen Bevölkerung inzwischen so getragen wird."
Pöbelnde Provokation, elitäre Engstirnigkeit
Ich möchte nicht, dass mein Sohn Menschen abwertend und polemisch gegenübertritt. Ich möchte, dass er wertschätzend hinterfragt, dass er klug und scharf argumentiert, dass er Zusammenhänge erkennt.
Ohne Kontext geht das nicht. "Hoss und Hopf" beleuchten aus meiner Sicht nicht, warum Deutschland diese Projekte im Ausland unterstützt. Sie erzählen nicht, dass es sich hier um einen Bruchteil des deutschen Haushalts handelt. Und sie ordnen das Prinzip von Entwicklungshilfe nicht so ein, wie ich es meinem Sohn erkläre: Jeder Euro, der in ausländische Projekte investiert wird, soll um ein Vielfaches zurückkommen.
Wozu das führt, erlebe ich zu Hause. Der Sohn: "Ich gegen die! Schuld sind die! Recht habe ich!". Pöbelnde Provokation, elitäre Engstirnigkeit.
Das Weltbild meines 14-Jährigen ist formbar wie Knete. Aktuell ist sein Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen, in den Rechtsstaat, in unsere Grundprinzipien erschüttert.
Aus dem Protokoll des Elternabends seiner Klasse vor wenigen Tagen: "Ein heftigeres Thema war die Problematik von rassistischen oder politischen (AfD) Äußerungen: Was hinsichtlich der AfD von den Schülerinnen und Schülern gesagt wurde, scheint geprägt durch Informationen, die sie ungefiltert im Netz oder auch Zuhause aufschnappen."
Zur Demonstration für die Demokratie und gegen die AfD ist unser Sohn nicht mitgegangen.
Hinweis der Redaktion: Unsere Autorin veröffentlicht aus Gründen der Persönlichkeitsrechte ihres Sohns unter Pseudonym.
Und was denken Sie daran ?