Welchen Pandemie-Versager hätten Sie denn gern? Warum das Duell der beiden Kanzlerkandidaten einerseits die Entscheidung zwischen Pest und Corona bedeutet – und andererseits den besten Beweis, dass in dieser Krise lieber gar kein Wahlkampf stattfinden sollte.
Angela Merkel sagte bei ihrem vielbeachteten Auftritt in der Talkshow von Anne Will, dass sie nicht 14 Tage weiter tatenlos zusehen werde, wie sich die Zahlen entwickeln. 15 Tage später hat sich an den Corona-Maßnahmen in Deutschland nichts geändert. Stattdessen wird weiter über Änderungen am Infektionsschutzgesetz debattiert, wertvolle Zeit mit eitlen Machtkämpfen vergeudet, während immer mehr Menschen sterben.
Und mittendrin in dieser fahrlässigen Farce beherrschen zwei Männer die Berichterstattung, denen es trotz Katastrophenlage in erster Linie um ihren nächsten Karriereschritt geht, nämlich Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl im September zu werden. Theoretisch ein normaler politischer Vorgang, praktisch stellt sich aber eine ganz entscheidende Frage: ernsthaft?!
Zukunft der CDU? Die Gegenwart ist schlimm genug
Ich kenne in meinem Freundeskreis keinen einzigen politisch interessierten Menschen, der sich gerade darum schert, wer die Union "in die Zukunft führen" wird. Stattdessen dominiert das Bewusstsein, dass uns die bisher schlimmste Lage der Pandemie – in der eskalierende Inzidenzwerte und überlastete Intensivstationen mit wachsender Wut, Müdigkeit und Verzweiflung in der Bevölkerung kollidieren – unmittelbar bevorsteht. Die Gegenwart ist also schlimm genug.
Dass weder Bund noch Länder das Gefühl vermitteln, zeitnah pragmatische Lösungen zu finden, sorgt dabei allmählich für die Zerstörung jeglichen Restvertrauens in das deutsche Corona-Krisenmanagement. Während Wissenschaftler mahnen und Intensivmediziner um Hilfe rufen, drehen sich alle Schlagzeilen aus dem politischen Berlin zur Stunde um den Machtkampf in der CDU/CSU.
Das Duell um die Kanzlerkandidatur entbrennt zur Unzeit, lenkt in denkbar heikler Lage vom Wesentlichen ab und bestätigt das ungute Gefühl, dass Politiker auch dann noch ausschließlich nach Macht streben, wenn längst die allgemeine Sicherheit auf dem Spiel steht. Weil sie Politiker sind. Weil sie gar nicht anders können.
Das ist bedauerlich, vielleicht sogar verachtenswert, und sicher eine naive Feststellung. Aber während man sich zwischen Fraktionen, Bund und Ländern über die geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz quasi an keiner Stelle einig ist, sitzen die Parteipräsidien von CDU und CSU an diesem Montag erstmal bei getrennten Beratungen zusammen, weil Laschet und Söder ihre Ambitionen öffentlich nicht zurückhalten können.
Maßnahmen, die jede Hoffnung auf Besserung konterkarieren
Das allein macht die Frage "Laschet oder Söder?" zu einer Beleidigung für alle, die keine Lust mehr haben auf halbgare und widersprüchliche Maßnahmen, die jede Hoffnung auf Besserung konterkarieren. Abgesehen davon, dass bei der bisherigen Pandemie-Performance der beiden Ministerpräsidenten aus Bayern und NRW die Frage nach dem Kanzlerkandidaten-Kandidaten auch anders formuliert werden könnte: Welchen Corona-Versager hätten Sie denn gern? Laschet oder Söder, das ist quasi die Wahl zwischen Pest und Corona – und der beste Beweis dafür, dass zumindest in dieser Jahrhundertkrise besser gar kein Wahlkampf stattfinden sollte.
Während ein Großteil der Bevölkerung Umfragen zufolge immer dringender auf schnelle Notbremsen hofft, lehnt Wirtschaftsminister Altmaier allen Ernstes weiterhin die Testpflicht für Unternehmen ab, kritisiert die FDP den Merkel-Plan für den Bundes-Lockdown als "verfassungswidrig", versucht Olaf Scholz die SPD auf Linie zu bringen – kurz: grassiert das Chaos. Und in CDU und CSU wird über Machtfragen palavert.
Ausgerechnet in der schwersten Krise, an die wir uns erinnern können, entfaltet sich die unheilvolle Mischung aus Inkompetenz und Verdorbenheit parteiübergreifend in voller Blüte. Kein schöner Frühlingsanfang.
Und was denken Sie daran ?