Bei „Goodbye Deutschland“ zieht es Rentnerin Annette Britsch nach Bulgarien. Das ärmste Land der EU ist ihr Ziel auf der Flucht vor der Altersarmut.
Annette Britschs (63) Mini-Renten-Schicksal hat bei „Goodbye Deutschland“ die Zuschauer berührt. Die Auswanderin scheint trotz all den Widrigkeiten ihres Lebens den Optimismus nicht verloren zu haben und hat uns mit ihrem Mut inspiriert. Ihre Geschichte könnten viele Frauen in der Republik genauso erzählen. Die Pfälzerin hat vier Kinder, um die sie sich Jahrzehntelang gekümmert hat. Da blieb für arbeiten keine Zeit. Nachdem Annette Britschs Ehe zerbrochen ist, brauchte die Rentnerin eine neue Perspektive für ihr Leben. Mit nur 550 Euro Trennungsunterhalt aus ihrer Ehe war ein Leben in Deutschland nur schwer zu bewerkstelligen. Britschs Rentenanspruch lag nach Abzug der Krankenversicherung bei 525 Euro. So trieb es die Pfälzerin notgedrungen nach Bulgarien. Die Region rund um die Stadt Varna lockt mit niedrigen Lebenshaltungskosten, warmem Klima und schönem Sandstrand. Die Altstadt mit ihren Jugendstil-Gebäuden ist so atmosphärisch, man könnte sich auch in Palma de Mallorca befinden.
Harte Kritik von den Kindern für die „Goodbye Deutschland“-Auswanderin
Doch ein neuer Lebensabschnitt in einem Land, dessen Landessprache man nicht beherrscht? Auf dem Online-Blog „Bulgarien-Franz“ berichtet die 63-Jährige von ihren Erfahrungen in Südosteuropa. 2013 wagte Britsch den Schritt nach Bulgarien. Zuvor musste die Pfälzerin in ihrem Umfeld einiger Kritik standhalten. „Das ist ja wohl das Blödeste, was ich je von dir gehört habe. Du kannst die Sprache nicht, brauchst nur mal stürzen, kannst keinen Notruf machen und dann kommt auch keiner“, so hörte sich beispielsweise die Reaktion ihres Sohnes zu dem Vorhaben an. Dennoch wagt Annette den Abschied aus ihrem Heimatort Bad Rappenau. Auf ihrem Blog berichtet Britsch von der Lebensrealität in dem Ostblock-Staat. Von Häusern ohne Bad und Toilette und Esels-Fuhrwerken auf der Straße.
Auch Auswanderer Jörg Rokitta (49) musste sich mit seiner neuen Lebensrealität in Armut abfinden. Er träumte immer davon, in Spanien als Gastronom erfolgreich zu sein. Doch irgendwann ging dem Ruhrgebietler das Geld aus. Wie Britsch hat auch Rokitta nicht davor gescheut, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Die Frauen ihrer Generationen fühlen sich vernachlässigt
Bereits vor einigen Jahren filmte Britsch einen Fernsehbeitrag mit dem SWR über das Leben in ihrer neuen Heimat. Damals schrieb sie in dem Blog „Ich sehe den Film als Dankeschön an die Regierung, die uns Frauen aus meiner Generation total vernachlässigt hat.“ Die Rentenzeit soll eigentlich die wohlverdiente Zeit nach einem anstrengenden Arbeitsleben darstellen. Dabei sollte es egal sein , ob man die Arbeit in der heimischen Küche oder in einem Büro vollbracht hat. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass der Anteil der Frauen, die auf staatliche Leistungen wie Hartz4 angewiesen sein werden, weil ihr Einkommen nicht zum Leben in Deutschland reicht, von momentan 16,2 auf 27,8 Prozent im Jahr 2036 ansteigen wird.
Die prekäre Situation zwingt die Betroffenen zu unterschiedlichen Lösungen. Viele verdienen sich bis ins hohe Alter in Niedriglohnbeschäftigungen notwendige Euros dazu, andere sammeln Pfandflaschen, wieder andere entscheiden sich für einen Lebensabend in einem Land mit niedrigeren Lebenshaltungskosten. Wie auch immer die notwendige Lösung aussieht, vielen nimmt sie im Alter die Lebensfreude. Bei steigenden Mietpreisen in Städten und geringen Zinsen für Sparer steigt der Druck auf Rentner in vielen Bereichen. Zuletzt hat die Bundesregierung Veränderungen und Verbesserungen der Mütterrente beschlossen. Doch auch diese greifen nur unter ganz bestimmten Umständen.
In Bulgarien kann die Rentnerin sich Annehmlichkeiten gönnen, die in Deutschland undenkbar wären
Zwischendurch resümiert Britsch die ersten Wochen in Bulgarien: „Strahlend blauer Himmel, ein Wetter zum Verlieben.“ Doch es folgt ein großes Aber: „Nun, wie soll ich mich verlieben? Keine Menschenseele in der Nähe, dann spreche ich die Sprache nicht (...). Ich habe im Moment das Gefühl, alles bündelt sich gerade gegen mich.“
Nach einigen Jahren in Bulgarien fühlt sich die lebensbejahende Rentnerin angekommen. Nach Deutschland zurück möchte die Auswanderin nicht mehr. Die Armut und Abwanderung aus den verlassenen Dörfern sei erdrückend. Die heruntergekommenen Plattenbauten-Siedlungen Varnas als morbid zu beschreiben wäre beschönigend. Doch Britsch fühlt sich wohl. Für die dortigen Verhältnisse ist sie gut situiert. Dabei gelten heutzutage in Deutschland Rentner als armutsgefährdet, deren Netto-Einkommen bei unter 958 Euro liegt. Mit den knapp 550 Euro, die der vierfachen Mutter zur Verfügung stehen, kann sie hier gut haushalten. Im Restaurant essen zu gehen und sich ein Glas Wein zu bestellen – das wäre für Annette Britsch mit ihrem Budget in Deutschland undenkbar.
Und was denken Sie daran ?