Fast 350.000 neue Infektionen binnen 24 Stunden: Die Corona-Lage in Indien spitzt sich weiter zu. Krankenhausbetten sind rar, den Kliniken geht der Sauerstoff aus. Auf den Straßen spielen sich dramatische Szenen ab.
Indien, Jammu
Überlastete Krankenhäuser, verzweifelte Patienten und trauernde Angehörige: Indien leidet unter den Folgen einer besonders schweren Coronawelle. Seit Mitte März steigen die Fallzahlen exponentiell an. Allein in den vergangenen sieben Tagen wurden rund zwei Millionen Corona-Neuinfektionen registriert. Unklar ist noch, ob die zuerst in Indien entdeckte Mutante B.1.617 für die stark steigenden Fallzahlen sorgt. Sie besitzt allerdings zwei Mutationen, die das Virus nach Ansicht von Experten ansteckender machen könnten.
Die Aufnahme zeigt einen Angehörigen eines Corona-Toten. Er vollzieht im Krematorium die letzte Ölung.
Eine besonders schwere Coronawelle hat Indien mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern fest im Griff: Tag für Tag reißen die Höchststände bei den Fallzahlen neue Negativ-Rekorde, allein am Sonntag wurden 349.691 neue Fälle binnen eines Tages gemeldet. Damit liegt die Zahl den vierten Tag in Folge bei mehr als 300.000 Neuinfektionen und über 2000 Toten.
Die Zahlen bringen auch die Kliniken des Landes weit über die Belastungsgrenze. Patienten können nicht mehr adäquat versorgt werden, weil Betten und auch Sauerstoff fehlen. In einem Krankenhaus in Neu Delhi starben mindestens 25 Covid-19-Patienten, nachdem dort der Sauerstoff ausgegangen war. Meldungen von Bränden auf Intensivstationen erschüttern das Land.
Gleichzeitig kursiert die Virusmutante B.1.617, die zuerst in Indien nachgewiesen wurde. Es handelt sich dabei um eine Variante mit zwei Mutationen des Spike-Proteins, das dem Virus als Eintrittspforte in menschliche Zellen dient. Unklar ist derzeit noch, ob die hohen Fallzahlen auf die Virusmutante zurückzuführen sind. Bislang haben sich in Indien seit Pandemiebeginn offiziellen Angaben zufolge 17 Millionen Menschen mit dem Virus angesteckt. Nur die USA zählen weltweit mehr Corona-Infektionen (32,1 Millionen).
Indien zum Virusvariantengebiet erklärt
Das Robert Koch-Institut (RKI) stuft die Mutante B.1.617 derzeit noch nicht als "Variant of Concern", also als besorgniserregende Variante ein. Sie stehe allerdings unter Beobachtung, teilte das RKI in der vergangenen Woche mit. Es gebe zudem Hinweise, dass die Mutationen die Übertragbarkeit des Virus erhöhen. Am Samstag kündigte die Bundesregierung an, den Reiseverkehr mit Indien deutlich einzuschränken und erklärte das Land zum Virusvariantengebiet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte Indien am Sonntag Unterstützung zu. "Der Kampf gegen die Pandemie ist unser gemeinsamer Kampf", wird Merkel von einem Regierungssprecher zitiert. "Deutschland steht Seite an Seite in Solidarität mit Indien. Wir bereiten so schnell wie möglich eine Unterstützungsmission vor."
"Die neu entdeckte Virus-Mutation in Indien besorgt uns sehr", schrieb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag auf Twitter. "Um unsere Impfkampagne nicht zu gefährden, muss der Reiseverkehr mit Indien deutlich eingeschränkt werden." Demnach dürfen ab Sonntagnacht nur noch Deutsche mit negativem Testergebnis aus Indien einreisen. Sie müssen sich im Anschluss in eine 14-tägige Quarantäne begeben. In Deutschland wurden nach Angaben des RKI bisher 21 Fälle der Virusmutante nachgewiesen.
Um das Virus vor Ort einzudämmen wurde der Lockdown in der Hauptstadt Neu Delhi, wo das Virus besonders stark grassiert, um eine weitere Woche verlängert. "Es gibt keine Verschnaufpause", sagte Neu Delhis Regierungschef Arvind Kejriwal am Sonntag in einer Videobotschaft. "Die Verwüstung durch das Coronavirus geht weiter."
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