Mitten im Ukraine-Konflikt reist Olaf Scholz nach Kiew und Moskau. Außerdem: Treffen der OSZE-Staaten. Antwort Moskaus auf Nato-Papier. Und am Wochenende die Münchner Sicherheitskonferenz ohne Vertreter Russlands. Die nächsten Tage entscheiden, wie der Konflikt Russland mit der Ukraine weitergeht.
Der US-Regierung zufolge kann es "jederzeit" losgehen mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die Geheimdienste haben sogar schon einen konkreten Tag genannt: Mittwoch. Es wäre der Tag nach Olaf Scholz' Antrittsbesuch in Moskau. Dort, im Kreml, reagierte die Führung schmalstlippig auf solche "Ankündigungen": Diese seien "provokative Spekulationen" und "Hysterie". Warum dieses Datum zirkuliert, ob es womöglich Teil einer Desinformationskampagne ist, und falls ja, von wem genau: unklar.
Es geht in Richtung Konfrontation
Sicher ist für Experten dagegen, dass die Krise in dieser und nächster Woche gelöst auf die Zielgerade geht. "Die nächsten zehn Tage werden entscheidend sein", sagte der frühere US-Botschafter in Georgien, Ian Kelly, der Nachrichtenagentur AP. Timofei Bordaschew von der Moskauer Zentrum für Europäische Studien sagte: "Russland und die Vereinigten Staaten steuern auf den Höhepunkt ihres Interessenskonflikts über den Zuschnitt der europäischen Ordnung zu."
Angesichts der Spannungen wappnen sich Amerikaner und Europäer für eine mögliche Eskalation. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, Spanien, Italien und die Niederlande, riefen ihre Bürger zur Ausreise aus der Ukraine auf. Zuvor hatten das unter anderem schon Großbritannien, Australien und die USA getan. "Russlands dreiste Forderungen und die ebenso schroffe Ablehnung durch die USA treiben die internationale Agenda seit dem Kalten Kriege mehr denn je in Richtung Konfrontation", so Bordaschew.
Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass sich nicht immer alle Seiten an die Regeln halten. So fordert die ukrainische Regierung von Russland etwa, die OSZE-Vereinbarung zur Transparenz über Truppenbewegungen einzuhalten. Die Regierung in Moskau habe eine Anfrage Kiews unter Berufung auf das Wiener Dokument der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ignoriert, sagte Außenminister Dmytro Kuleba. Der Text soll den Informationsaustausch über die Aktivitäten der Streitkräfte der 57 Mitgliedsländer der Organisation fördern. Moskau müsse "seinen Verpflichtungen nachkommen, um Spannungen abzubauen", so Kuleba. Sein Land beruft deshalb "innerhalb von 48 Stunden ein Treffen mit Russland und allen Mitgliedstaaten (der OSZE) ein".
Ebenfalls zu einem Treffen eigeladen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj US-Präsident Joe Biden für die "kommenden Tage". "Ich bin überzeugt, dass Ihr Besuch in Kiew ein starkes Signal wäre und zur Stabilisierung der Lage beitragen würde", zitierte das Büro des Präsidenten aus einem Telefonat der beiden Staatschefs. In einer Erklärung des Weißen Hauses nach dem Telefonat war die Einladung nicht erwähnt worden.
Mehr als 100.000 russische Soldaten an der Grenze
In ihrem rund 50-minütigen Gespräch vereinbarten Biden und Selenskyj nach Angaben des Weißen Hauses, am Prinzip von "Diplomatie und Abschreckung" gegenüber Russland festzuhalten. Nach US-Angaben bekräftigte Biden "das Engagement der Vereinigten Staaten für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine".
Moskau hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen, bestreitet aber jegliche Angriffspläne. Als Grund für den Truppenaufmarsch heißt es im Kreml, das Land fühle sich von der Nato bedroht. Daher dürfe die Ukraine nicht Mitglied des Verteidigungsbündnisses werden – was aber nach Worten führender Nato-Vertreter ohnehin nicht zur Debatte steht. Zuletzt hatte der ukrainische Botschafter in Großbritannien Berichte über einen von ihm ins Spiel gebrachten Verzicht auf die Nato-Mitgliedschaft als "Missverständnis" bezeichnet. Das in der Verfassung des Landes festgeschriebene Ziel der Ukraine, langfristig Mitglied der Militärallianz zu werden, sei unverändert, sagte Wadim Pristaiko.
In den kommenden Tagen erwarten die USA und die Nato zudem die Reaktion Russlands auf deren Vorschläge für neue Sicherheitsvereinbarungen. Die Regierung in Moskau hatte außer dem Ende der Osterweiterung in die Ukraine auch gefordert, dass die Nato-Streitkräfte aus den östlichen Bündnisstaaten abgezogen werden. US-Außenminister Antony Blinken hatte aber bereits deutlich gemacht, dass dieser Forderung nicht entsprochen werden wird.
Am Wochenende beginnt in München zudem die Sicherheitskonferenz, zu der sich neben 35 Staats- und Regierungschefs auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Blinken angekündigt haben. Konferenzchef Wolfgang Ischinger warb vor dem Hintergrund der Spannungen für eine Teilnahme Russlands an der Konferenz. Dass Moskau bislang abgesagt habe, sei "bedauerlich". Aber er werde da "am Ball" bleiben, so Ischinger. "Wir werden alles versuchen, um doch noch einen autorisierten russischen Sprecher nach München zu bekommen."
Kein Angriff während der Olympischen Spiele?
Die Tagung in der bayerischen Landeshauptstadt endet am Sonntag, genau wie die Olympischen Winterspiele in Peking. Angeblich soll es zwischen Russland und China eine Art von Vereinbarung geben, nach der Russland während des Sportveranstaltung keine Militäraktion startet. Chinas Botschafter in Washington verwies auf den "altehrwürdigen olympischen Waffenstillstand" für die Spiele. Allerdings hält sich der Kreml nicht immer an solche Agreements: Im August 2008 marschierte die russische Armee in Georgien ein, während die Olympischen Sommerspiele, ebenfalls in Peking, eröffnet wurden.
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