Sie atmet noch, in den Augen ist noch ein Rest von Leben – aber für diese Löwin im Al-Qurashi-Park in Khartoum (Sudan) konnten die Tierschützer nichts mehr tun. Sie starb vor zwei Wochen. Löwin Kandaka liegt daneben. Sie hat einen starken Überlebenswillen, frisst inzwischen bereits wieder Fleisch
Das einst prächtige Fell hängt glanzlos über dem ausgemergelten Skelett. Die Wirbel lassen sich von Weitem zählen. Die Bilder der halb verhungerten Löwin Kandaka (4) gingen um die Welt.
Im „Al Qurashi Family Park Zoo“ in Sudans Hauptstadt Khartoum können die Tiere nicht mehr ausreichend gefüttert und medizinisch versorgt werden. Dem staatlichen Zoo ging das Geld aus. Eine Löwin ist elend verhungert. Auch Löwin Kandaka und drei weiteren Löwen drohte ein erbärmliches Ende.
Tierarzt Dr. Frank Göritz (57) versorgt den geschwächten Löwen Mansour (4)
Das konnte fürs Erste verhindert werden. Seit Ende Januar ist ein internationales Team der globalen Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ vor Ort. Mit dabei: Dr. Frank Göritz (57), leitender Tierarzt des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) aus Berlin.
„Als wir vor zwei Wochen den Zoo erreichten, war ich schockiert“, sagt Göritz zu BILD am SONNTAG. „Ich arbeite seit 15 Jahren mit ,Vier Pfoten‘ zusammen, habe bereits Tiere aus Gaza und Aleppo befreit, aber die Haltungsbedingungen hier sind fernab jeglicher internationaler Standards.“
Löwin Kandaka gab er anfangs keine Überlebenschance. „Das Tier hatte zwei Drittel seines Körpergewichts verloren. Wir haben ihr Infusionen gegeben, dann Hühnerbrühe und Katzenfutter. Die Löwin war so schwach, wir mussten sie nicht einmal betäuben.“ Alle wichtigen Geräte und Medikamente, um die Tiere zu behandeln (wie Ultraschallgerät, Minilabor), haben die Ärzte mit an Bord genommen.
Die Wirbel von Löwin Kandaka (4) konnte man einzeln zählen
Dass Team und Fracht so schnell in den Sudan fliegen konnten, hat Dr. Amir Khalil (55) aus Wien organisiert. Seit 26 Jahren arbeitet der gebürtige Ägypter für die Organisation. „Ich spreche Arabisch und kenne die richtigen Leute“, sagt er zu BILD am SONNTAG. Die Menschen in Khartoum sind für die Unterstützung unendlich dankbar. Wo immer das Team auftaucht, wird es überschwänglich freundlich gegrüßt.
Auch eine Einladung ins Ministerium für Tierschutz hat es bekommen. Dass die Weltöffentlichkeit nun um die Zustände des heruntergewirtschafteten Zoos weiß, ist den Sudanesen offenbar aber auch peinlich. „Es ist sehr wichtig, hier niemanden vor den Kopf zu stoßen“, erklärt Dr. Khalil. „Wir arbeiten unermüdlich daran, eine artgerechte Lösung für die Tiere zu finden.“
Auf dem Löwenkopf hat sich ein Heer von Fliegen niedergelassen. Die lilafarbene Stelle ist eine Wunde, die mit Jod-Spray behandelt wurde
Am Freitag meldete „Vier Pfoten“, dass der Zoo eine spontane Umsiedlung durchgeführt habe, ohne dies mit den Helfern abzusprechen. Der abgemagerte Löwe Mansour wurde heimlich in ein anderes Gehege gebracht. „Nachdem wir die Zustände vor Ort untersucht haben, mussten wir feststellen, dass der Umzug auf keinen Fall eine Verbesserung für den Löwen bedeutete“, teilte die Tierschutzorganisation mit.
Dr. Amir Khalil sprach mit den Behörden, Löwe Mansour wurde zurücktransportiert. Völlig unnötige Strapazen für das ohnehin geschwächte Tier. Die Ärzte müssen weiter um Wohl und Leben der Löwen kämpfen.
Der Sudan ist ein umkämpftes Land
Der Staat im Nordosten Afrikas ist mit 1,85 Millionen Quadratkilometern etwa fünfmal so groß wie Deutschland. Hier leben 40 Millionen Menschen. Im April 2019 wurde Machthaber Umar al-Bashir (76) nach 30-jähriger Amtszeit durch einen Militärputsch abgesetzt.
Seit dem 17. August 2019 ist eine Übergangsverfassung in Kraft. 25,2 Prozent der Bevölkerung sind akut unterernährt. Die Hungersituation im Sudan wird vom Welthunger-Index (WHI) als „ernst“ eingestuft. Das Land belegt Platz 107 von 117 gelisteten Ländern.
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