Warum Haus-Historiker Rödder mit der CDU bricht

28.09.2023 12:38

Der Historiker Andreas Rödder hatte mit einem Interview im stern eine hitzige Debatte über den Umgang der CDU mit der AfD ausgelöst. Jetzt ist er von seinem Amt als Chef der CDU-Grundwertekommission zurückgetreten.

Schwer getan hat sich die CDU schon länger mit ihm. Doch jetzt ist es zum offenen Bruch zwischen dem Mainzer Historiker Andreas Rödder und seiner Partei gekommen. Am Mittwoch wurde bekannt, dass das CDU-Mitglied seinen Posten als Chef der Grundwertekommission abgibt. In einem Schreiben an CDU-Chef Friedrich Merz, über das als erstes das Online-Portal "Nius" berichtete, begründete Rödder seinen Schritt damit, er wolle "wiederholte Missverständnisse um meine Rolle" vermeiden. In dem Brief macht er auch Merz persönlich für seine Entscheidung verantwortlich.

Mehrere Repräsentanten der CDU hätten sein Interview im stern "bewusst missinterpretiert", schreibt Rödder. Und weiter: "Vor diesem Hintergrund haben Sie am vergangenen Freitag deutlich gemacht, dass ich mich zwischen meiner intellektuellen Freiheit und der Leitung der Grundwertekommission entscheiden müsse." Da die Freiheit für ihn als Wissenschaftler aber "unverhandelbare Grundlage meines politischen Engagements als Christdemokrat" sei, bleibe ihm keine andere Wahl, als den Posten abzugeben.

In seinem Brief wies Rödder auch den Vorwurf zurück, "die Grundwerte unserer Partei verlassen" zu haben: "Ich habe nichts anderes getan, als über verfassungsgemäße Optionen nachzudenken, um die CDU aus ihrer politischen Defensive zu befreien und ihrer Bedrohung durch die AfD zu begegnen". Er beklagte, dass dessen ungeachtet "führende Vertreter der Partei unwidersprochen persönliche Diskreditierungen und sachliche Unwahrheiten" über ihn verbreiten würden.

Auslöser für den Vorgang war ein Interview, was Rödder dem stern in der vergangenen Woche gab. Darin kritisierte der Professor "falsche Brandmauern nach rechts" und empfahl seiner Partei einen Strategiewechsel. Sie dürfe sich bei Anträgen nicht vom Verhalten der AfD abhängig machen. Auch CDU-Minderheitsregierungen mit Zustimmung der Alternative seien denkbar, wenn es zuvor keine Absprache gebe.

Hintergrund war eine heftige Debatte über die Thüringer CDU, die einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbssteuer mit Stimmen der AfD durch den Landtag gebracht und dafür von Teilen der Bundespartei massiv kritisiert worden war.

Merz nannte Rödders Vorstoß ein "absolutes No-go"

Doch während die Thüringer dafür auch Zustimmung erhalten hatten, stießen Rödders Überlegungen in der gesamten Parteiführung auf Kritik. "Andreas Rödder spricht nicht für die CDU", sagte Generalsekretär Carsten Linnemann der "Süddeutschen Zeitung". CDU-Chef Friedrich Merz nannte Rödders Überlegungen zu einer AfD geduldeten Minderheitsregierung "ein absolutes No-go", sagte er zur "Augsburger Allgemeinen Zeitung". Der Vorsitzende des des "Evangelischen Arbeitskreises" der Unionsparteien, der CDU-Abgeordnete Thomas Rachel, forderte Rödders Rücktritt als Chef der Grundwertekommission.

Zwar war Rödders Tätigkeit auf diesem Posten inhaltlich bereits beendet: Die Grundwertekommission hatte vor 15 Monaten ihre Arbeit abgeschlossen. Die von ihr vorgelegte Charta war auf dem Bundesparteitag der CDU im September 2022 in Hannover beschlossen worden.

Als Vorsitzender einer Fachkommission gehörte Rödder aber weiterhin der übergeordneten Programm- und Grundsatzkommission der CDU an. Diese wird erst im Januar aufgelöst , wenn der CDU-Bundesvorstand auf seiner Klausur das Grundsatzprogramm beschließt. 

Auch als die Programmkommission mit Merz und Linnemann im Mai zu einem Sondertreffen in der Ferienvilla von Konrad Adenauer in Cadenabbia am Comer See zusammenkam, war Rödder mit dabei. Gemeinsam spielte man nach der Arbeit in der Tradition des einstigen Kanzlers auf der traumhaft gelegenen großzügigen Anlage eine Runde Boccia.

Für Ärger sorgte Rödder bereits vor anderthalb Jahren

Unmut über Rödder hatte es freilich bereits zuvor gegeben. Im Januar 2022 hatte der selbstbewusste Historiker angeregt, unter Umständen auf das "C" im Namen zu verzichten, um auch nichtchristliche Wähler anzusprechen. Schon damals stieß er auf massive Ablehnung. Von anderen in der Partei wurde Rödders Art geschätzt, nach unkonventionellen Ansätzen zu suchen. Mit dem von ihm gegründeten Thinktank "Denkfabrik R21" bemühte er sich, mit Konferenzen zu Corona-Politik und Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit den rechten Flügel der Union anzusprechen. Immer wieder machte er dabei deutlich, dass er von Merkels Kurs der "Sozialdemokratisierung" der CDU wenig hielt.

Mit seinen jüngsten Aussagen habe er der CDU geschadet, heißt es in der Partei. Schlimmer noch: auch nach Lautwerden der Kritik habe er keinerlei Einsicht gezeigt. Offiziell dankte Generalsekretär Linnemann Rödder für die geleistete Arbeit und sprach den Wunsch aus, dass dieser "sich weiterhin in unserer Partei einbringen möchte". Dass Rödder dies wirklich vorhat, dafür spricht nach all den Querelen freilich nicht viel.

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