Ursache von schwerem Schwangerschaftserbrechen aufgeklärt

28.12.2023 10:35

Übelkeit und Erbrechen treten in der Schwangerschaft oft auf – und bedrohen in wenigen Fällen die Gesundheit von Mutter und Kind. Eine Studie zeigt nun eine Ursache dafür. Gegen die Übelkeit gibt es hilfreichen medizinischen Rat

Die Beschwerden sind bei Schwangeren weit verbreitet – und können im Extremfall für Mutter und Nachwuchs lebensbedrohlich sein. Etwa zwei Drittel der werdenden Mütter erleben während der Schwangerschaft Übelkeit und Erbrechen – im Fachjargon Emesis gravidarum genannt –, meist in vergleichsweise milder Form. Doch bei bis zu drei Prozent der Schwangeren sind die Beschwerden meist im ersten Trimester so stark, dass ihnen und dem Kind Flüssigkeits- und Nährstoffmangel drohen. Bis vor kurzem lag die Ursache dieser sogenannten Hyperemesis gravidarum (HG) – auch als unstillbares Schwangerschaftserbrechen bezeichnet – im Dunkeln.

Nun berichtet ein internationales Forschungsteam in der Zeitschrift "Nature", dass die Erkrankung häufig auf das Hormon GDF15 zurückgeht, dessen Konzentration im Blut während der Schwangerschaft deutlich steigt. Demnach sind die Beschwerden bei jenen Schwangeren besonders ausgeprägt, bei denen die GDF15-Werte im Vergleich zu vor der Schwangerschaft besonders stark zunehmen.

Hohe Hormon-Konzentration steigert das Risiko

Schon 2018 hatte eine Genomanalyse von mehr als 50 000 Frauen ergeben, dass jene Frauen besonders gefährdet sind, die vor der Schwangerschaft nur geringe GDF15-Werte haben. Im Gegensatz dazu steigern während der Schwangerschaft hohe Konzentrationen des Hormons das HG-Risiko. Wie diese beiden Phänomene zusammenhängen, zeigt das Team um Marlena Fejzo von der University of Southern California in Los Angeles nun in einer Reihe von Untersuchungen detailliert auf.

Tipps gegen die Übelkeit

  • Bei Übelkeit und Erbrechen immer zum Arzt gehen – und natürlich sofort, wenn man keinerlei Nahrung mehr bei sich behalten kann oder abnimmt.
  • Meiden Sie fette, sehr zuckerhaltige, stark gewürzte, frittierte und scharfe Speisen.
  • Trinken Sie zuckerfreie Getränke ohne Kohlensäure, zum Beispiel Wasser oder Tee.
  • Trinken Sie vor dem Aufstehen zum Beispiel einen leicht gesüßten Tee oder ein Glas Orangensaft und essen Sie einen Zwieback dazu. Bleiben Sie danach noch etwa 20 Minuten liegen.
  • Essen Sie über den Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten. Diese sollten mehr Kohlenhydrate enthalten als sonst. Bei Übelkeit sind auch viele Ballaststoffe aus Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, reichlich Eiweiß und wenig Fett empfehlenswert.
  • Meiden Sie Gerüche, gegen die Sie in der Schwangerschaft empfindlich sind. Das sind oft Kaffee, Fleisch oder Parfum.  
  • Verzichten Sie vor der 15. oder 16. Schwangerschaftswoche auf Vitaminpräparate. Zu Beginn brauchen Schwangere nur die ausreichende Dosis an Folsäure. Zusätzliche Vitamine könnten den Magen belasten, da er die Kapseln auflösen muss. Das wiederum kann die Übelkeit verstärken.
  • Einfache Hausmittel helfen manchmal auch: Zum Beispiel  Wasser mit Zitronenscheiben oder der Geruch von grünen Äpfeln.

Zusammengestellt von Experten des Universitätsklinikums Freiburg

"Die Ergebnisse liefern eine wissenschaftliche Grundlage für Hyperemesis gravidarum, die genutzt werden könnte, um Behandlungen von und Schutzmaßnahmen gegen schwere Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft zu entwickeln", schreiben Alice Hughes und Rachel Freathy von der englischen Universität Exeter in einem "Nature"-Kommentar. "Das Blockieren der Wirkung von GDF15 könnte HG-Symptome mildern, und die GDF15-Werte empfänglicher Menschen vor der Schwangerschaft therapeutisch zu erhöhen könnte sogar möglicherweise den Beginn von Symptomen verhindern." Vor einer Anwendung müsse ein solcher Schutzeffekt jedoch in Studien an Menschen nachgewiesen werden, betonen die Expertinnen.

Das verändert sich in der Schwangerschaft

  • Das Herz verschiebt sich mit Größenzunahme des Fötus etwas nach links oben.
  • Der Stoffwechsel  steigert sich bis zum dritten Trimester um ein Fünftel. Gemittelt muss die Schwangere daher täglich 300 Kalorien zusätzlich zu sich nehmen.
  • Der Puls nimmt um fünf bis zehn Schläge pro Minute zu, denn am Schwangerschaftsende kreisen rund eineinhalb Liter mehr Blut durch den Körper der Frau. Daher brauchen Schwangere und Stillende die anderthalbfache bis doppelte Menge Eisen, also 20 bis 30 Milligramm täglich. 
  • Die Nieren müssen mehr Blut spülen müssen, was einer der Gründe dafür ist, dass Schwangere häufig Harndrang haben. Weil die Nieren vermehrt Magnesium ausgescheiden, leiden viele Schwangere unter Wadenkrämpfen.
  • Die Harnleiter weiten sich. Damit lagern sich leichter Keime ein. Schwangere bekommen deshalb schnell Blasenentzündungen. 
  • Das Brustdrüsengewebe vermehrt sich, die Brüste werden bis zur Geburt rund ein Kilo schwerer, in Vorbereitung auf das Stillen.
  • Die glatte Muskulatur im Verdauungstrakt wird schlaffer. Darunter jene Muskeln, die den Übergang von der Speiseröhre in den Magen abdichten und im Darm den Nahrungsbrei weiterschieben. Eine häufige Folge: Sodbrennen und Verstopfung. 
  • In der Haut lagert sich mehr Melanin ein, sodass Leberflecke, Sommersprossen und die Brustwarzenhöfe dunkler werden. 
  • Das Haar kann fülliger werden, aber nach der Geburt auch verstärkt ausfallen.

Die meisten Veränderungen bilden sich in den Tagen und Wochen nach der Entbindung zurück – bis zur nächsten Schwangerschaft.

Auch Sven Kehl von der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen spricht von einer Studie zu einem wichtigen Thema. "Der gefundene Zusammenhang ist sehr interessant", sagt der Experte, der nicht an der Studie beteiligt war. Wichtig seien nun Studien dazu, ob sich dieses Wissen sowohl zur Prävention als auch zur Therapie nutzen lasse.

Was ist der evolutionäre Vorteil des Erbrechens?

Die Kommentatorinnen Hughes und Freathy schreiben, möglicherweise könnten neben GDF15 auch andere Faktoren an Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft beteiligt sein. Zudem gelte es zu klären, welche evolutionären Vorteile der gefundene Mechanismus während der Schwangerschaft biete. "Eine Theorie besagt, dass dieser Mechanismus den sich entwickelnden Fetus vor Vergiftung schützt", nennen sie eine Möglichkeit.

So berichtet die Gruppe zunächst, dass der überwiegende Anteil von GDP15, dessen Werte in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft ansteigen, vom Fetus stammt – und nicht von der Mutter. Eine weitere Analyse ergab, dass jene Frauen, die genetisch bedingt vor der Schwangerschaft besonders wenig GDF15 bilden, besonders gefährdet sind, eine Hyperemesis gravidarum zu entwickeln. Umgekehrt schützt die Erbkrankheit ß-Thalassämie, die generell mit hohen GDF15-Konzentrationen einhergeht, vor schwerem Schwangerschaftserbrechen.

Frühe Gewöhnung kann vor Beschwerden schützen

Dies erklärt das Team um Fejzo dadurch, dass jene Frauen, die schon an höhere Werte des Hormons im Körper gewöhnt sind, weniger sensibel auf den Anstieg während der Schwangerschaft reagieren. Im Gegensatz dazu leiden jene Schwangere, die vorher nur geringe Werte des Hormons aufwiesen, besonders stark. Dass eine Gewöhnung an hohe Hormonwerte tatsächlich vor akuten Beschwerden schützen kann, zeigte die Gruppe an Mäusen: Wurden die Tiere an höhere Konzentrationen von GDF15 gewöhnt, reagierten sie weniger heftig auf einen plötzlichen Anstieg des Hormons.

Auf die mögliche Funktion des Hormons geht auch das Team um Fejzo ein. "GDF15 scheint sich vor allem als Signal dafür entwickelt zu haben, dem Gehirn Informationen über eine Reihe körperlicher Stressfaktoren zu übermitteln, um den weiteren Kontakt mit diesen zu vermeiden", schreibt es unter Verweis auf manche Lebensmittel und Giftstoffe.

Quelle