Ein Oberarzt, der während der kritischen Phase einer Not-Operation an seinen Assistenzarzt übergab und das Spital verließ, beschäftigt derzeit den Ärztlichen Direktor des Linzer Kepler-Universitätsklinikums, Ferdinand Waldenberger. Er spricht im „Krone“-Interview offen über das tödliche Ende des Falls.
„Krone“: Wann haben Sie von dem Zwischenfall erfahren?
Ferdinand Waldenberger: Am Dienstagabend hat die Operation stattgefunden, am nächsten Morgen war Primar Zierer in meinem Büro und hat mich informiert. Wir haben sofort rechtliche Schritte eingeleitet, eine Stellungnahme von dem Oberarzt und allen Beteiligten eingeholt und dann die Freistellung mit möglicher Entlassung angeordnet.
Was hat der Arzt gesagt?
Der Oberarzt hat sein Fehlverhalten leider nicht eingesehen. Er ist ein sehr erfahrener Herzchirurg und hat in seiner Karriere schon viele Menschenleben gerettet. Mir tut es leid für ihn, dass er mit so einem Blödsinn jetzt womöglich seine ganze Karriere zerstört.
Der Arzt hat das Spital wegen eines Termins in seiner Privatordination verlassen. War dieser Termin dringend?
Natürlich nicht, ich bin selbst Herzchirurg und weiß, dass Termine in der Privatordination nie so dringend sind, dass sie nicht warten könnten. Hier geht es ja meistens nur um Gespräche.
Wie lange lief da die OP?
Vier Stunden. Bei dieser OP müssen Patienten auf etwa 28 Grad Körpertemperatur abgekühlt werden. Als der Patient wieder aufgewärmt wurde, hat der Arzt das Spital verlassen und an den Assistenten übergeben.
Was ist dann passiert?
Nach etwa 15 Minuten sind Komplikationen aufgetreten. Dann wurde der Oberarzt angerufen. Er hat nach etwa 45 Minuten wieder übernommen.
Da hat der Patient noch gelebt. Sehen Sie einen Zusammenhang mit dem Verlassen und dem Tod des Mannes?
Derzeit sehe ich keinen Zusammenhang. Das muss aber natürlich jetzt alles genauestens geprüft werden.
Wie geht’s dem Assistent?
Er arbeitet seit drei Jahren bei uns. Er hat zwar schon Erfahrung, aber natürlich nicht für eine so große Operation. Für ihn ist die Situation jetzt auch sehr schwer.
Der betroffene Assistenzarzt hat zwar schon Erfahrung, aber natürlich nicht für eine so große Operation.
Ferdinand Waldenberger
Was heißt das fürs Spital?
Natürlich gibt es einen Vertrauensverlust. Es ist bei uns nicht üblich, dass solche Fehler passieren. Wir werden alles genauestens aufklären und müssen schauen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt. Wir Ärzte sollten auch darüber nachdenken, dass die Medizin nicht nur eine Dienstleistung ist, sondern dass es um Menschenleben geht. Patienten sollte man nicht wie Termine sehen.
Die Chronologie
Am Dienstag wurde der Patient (77) mit einem Aortenriss mit dem Rettungshubschrauber ins Spital geflogen, die Ärzte begannen sofort mit einer Not-OP. Nachdem der Arzt diese nach etwa vier Stunden verlassen und an den Assistenten übergeben hatte, starb der Patient an einem Hinterwandinfarkt. Das Kepler-Uniklinikum suspendierte den Arzt tags darauf vorübergehend, führte intern eine Obduktion durch.
Verwirrung um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Laut dem Spital sei man erst seit Samstag mit dem Oberstaatsanwalt in Kontakt, die erste Obduktion habe die interne Pathologie durchgeführt. Die Linzer Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen grob fahrlässiger Tötung. Am Sonntagnachmittag sagte ein Sprecher der Linzer Staatsanwaltschaft (der vor den Medienberichten nichts von dem Fall wusste) zur „Krone“: „Wir haben am Sonntag eine weitere Obduktion angeordnet. Das Kepler-Uniklinikum schickt uns außerdem eine Sachverhaltsdarstellung. Das hat sich alles erst durch die Medienberichterstattung ergeben.“ Am Montag wird die Leiche ein zweites Mal obduziert, bereits am Nachmittag könnten Ergebnisse vorliegen.