Nach Vorwürfen gegen RBB-Chefin: Sender leitet Untersuchung ein, Redaktion spricht von Klima der Angst

11.07.2022 12:32

Es geht um die mutmaßliche Verschwendung von Gebührengeldern, private Abendessen auf Spesenrechnung und dubiose Beraterverträge. RBB-Intendantin Patricia Schlesinger steht nach in Medienberichten formulierten Vorwürfen scharf in der Kritik.

Nach Vorwürfen gegen Intendantin Patricia Schlesinger hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) eine unabhängige Untersuchung eingeleitet. Schlesinger (60) sagte am Donnerstag in einer RBB-Mitteilung, die Geschäftsleitung des Hauses habe sich mit den in Medienberichten formulierten Vorwürfen gegen den öffentlich-rechtlichen Sender und sie persönlich befasst. "Sie kleiden sich in eine Mischung aus Mutmaßungen, Unterstellungen und falschen Schlussfolgerungen." Nach Informationen der "Welt" brodelt es indessen in der Redaktion. Dort sei die Rede von einem "Klima der Angst".

Das Online-Portal "Business Insider" hatte die Kritik am RBB vor Tagen ins Rollen gebracht. Der Fall ist sehr verschachtelt. Im Kern wurde die Frage in den Raum gestellt, ob im beruflichen Verhältnis zwischen Intendantin Schlesinger und der RBB-Verwaltungsratsspitze bestimmte Grenzen überschritten worden sein könnten und ein zu laxer Umgang mit Kollisionen von Interessen vorherrsche.

Bericht wirft RBB-Intendantin und Verwaltungschef Berater-Gemauschel vor

Laut dem am Mittwoch veröffentlichen Bericht des "Business Insider" soll Schlesinger zum einen regelmäßig Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu Abendessen in ihre Berliner Wohnung einladen. An sich nicht verwerflich. Doch wie das Magazin erfahren haben will, soll die Rechnung am Ende der Beitragszahler übernehmen. Nicht nur das: Die Dinnerpartys seien nicht ordentlich abgerechnet worden – der Catering-Service habe die Rechnungen auf Bitten des RBB mehrfach abgeändert. Der Betrag sei zwar am Ende derselbe geblieben, die Gästeanzahl sei jedoch reduziert worden. Der "Business Insider" wirft diesbezüglich die Frage auf, ob Schlesinger so womöglich verheimlichen wollte, dass es sich bei den vermeintlichen Geschäftsessen in Wahrheit um private Feiern gehandelt habe. 

Wie der RBB erklärt, habe der Sender die entsprechenden Rechnungen inzwischen jedoch vollständig geprüft, es gebe keine Fehler oder unsauberen Eingriffe. Zu den Abendessen lägen dem RBB grundsätzlich die Namen aller Gäste vor, heißt es weiter. Das sei für die Abrechnung unerlässlich, somit seien auch "keine Teilnahmen (oder Zwecke) zu verschleiern". Zudem wisse man durch die Überprüfung der Unterlagen auch von den Fällen, in denen die Gästezahl korrigiert wurde, "etwa durch kurzfristige Absagen". Dies sei allerdings immer entsprechend weniger bezahlt worden.

Doch wiegt ein anderer Vorwurf deutlich schwerer. Dokumente, die dem "Businsess Insider " vorlägen, sollen belegen, dass RBB-Verwaltungschef Wolf-Dieter Wolf Schlesingers Ehemann lukrative Aufträge zugeschustert hat. So sollen unter anderem Wolfs Geschäftspartner Beraterverträge für den geplanten Bau des Digitalen Medienhauses in Berlin und weitere Immobilienprojekte erhalten haben. Dabei ist die Rede von sechsstelligen Honoraren. Zuvor will das Magazin enthüllt haben, dass Wolf in seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Berliner Messe Schlesingers Gatten seit Ende 2020 Aufträge zugespielt habe. Dem Sender zufolge haben sich die Beteiligten jedoch "erst über rbb-Projekte kennengelernt" – es sei folglich zu keiner Vergabe an bereites bestehende Geschäftsfreunde gekommen. 

RBB will die Vorwürfe einer "umfassenden Prüfung unterziehen"

Der Sender verwies am Donnerstag darauf, dass es keine Anhaltspunkte gebe, dass etwas außerhalb der sogenannten Compliance-Regeln – das sind Richtlinien, die sich ein Unternehmen gibt – passiert sei. Man wolle größtmögliche Transparenz schaffen. Schlesinger ergänzte: "Dabei ist uns wichtig, dass eine unabhängige Stelle in diesen Prozess eingebunden ist." Bereits am Vortag habe man die Revision und die Compliance-Beauftragte des Senders gebeten, "die in der Berichterstattung angesprochenen Themenkomplexe so schnell wie möglich einer umfassenden Prüfung zu unterziehen und dabei, falls nötig, auch externe Expertise hinzuzuziehen".

Schlesinger sagte zur Untersuchung: "Die Geschäftsleitung des RBB und ich sind davon überzeugt, dass die notwendige Klarheit über das tatsächliche Geschehen am besten durch eine unabhängige Prüfung erreicht werden kann und dass dies der richtige Weg ist, um die Vorwürfe dauerhaft zu entkräften." Parallel prüfe der Sender weiter rechtliche Schritte gegen "falsche und verzerrende Formen der Berichterstattung".

Der Sender startete auch innerhalb der eigenen Belegschaft einen Dialog und will nach DPA-Informationen im Intranet die Berichterstattung rund um die Vorwürfe gegen den Sender und Schlesinger dokumentieren und widerlegen. Mitarbeiter sollen dort zudem Fragen stellen können.

RBB-Redaktion spricht von einem "Klima der Angst"

Wie die "Welt" laut einem am Samstag veröffentlichten Artikel erfahren haben will, brodelt es RBB-intern jedoch gewaltig. In einem Brief, so die Zeitung, rechnet der Personalrat und die Redaktion mit Schlesingers Krisen-Kommunikation ab. In der Resolution fordern sie offenbar, dass "alle im Raum stehenden Anschuldigungen unverzüglich ausgeräumt werden, um das erschütterte Vertrauen wieder herzustellen". Die vom Sender anberaumte "rein rechtliche Überprüfung" werde nicht ausreichen – schließlich würden die Vorwürfe gegen Schlesinger die Glaubwürdigkeit aller Mitarbeiter "in Mithaftung" nehmen.

Auf einer Betriebsversammlung, so stünde es in der Erklärung, habe die Intendantin "gleich zu Beginn mit Drohungen und Anwürfen für ein Klima der Angst und des Misstrauens gesorgt".

Quellen: DPA; "Business Insider"; "Welt"

Hinweise der Redaktion: 

Im ersten Satz des dritten Absatzes wurde der Fehler korrigiert, dass es sich nicht um private Abendessen gehandelt hat. 

Im fünften Absatz wurde präzisiert, dass es sich um Geschäftspartner von Herrn Wolf handeln soll und nicht um Geschäftspartner von Frau Schlesingers Ehemann. 

Im fünften Absatz wurde das "immer wieder" im Satz "Zuvor will das Magazin enthüllt haben, dass Wolf in seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Berliner Messe Schlesingers Gatten seit Ende 2020 Aufträge zugespielt habe." gestrichen. 

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