Klebe-Blockaden adé: Mit großem Sympathie-Zuwachs kann die Letzte Generation aber kaum rechnen

01.02.2024 10:26

Die Klebeaktionen der Gruppe Letzte Generation sind vorbei – die Klimakrise allerdings nicht. Deshalb sollen Aktionen und Blockaden weitergehen. So kommentiert die Presse die Neuausrichtung der Klimaproteste.

Die Protestgruppe Letzte Generation will die vor zwei Jahren begonnenen Straßenblockaden beenden und künftig mit "ungehorsamen Versammlungen" auf die Klimakrise aufmerksam machen. Es gehe künftig um "niedrigschwellige Protestformen auch für die, die sich nicht ankleben wollten oder Angst vor Repressalien hatten", erläuterte Marion Fabian, eine der Sprecherinnen der Letzten Generation, am Dienstag. 

Die Blockaden mit festgeklebten Aktivisten machten die Letzte Generation unbeliebt. Das weiß auch die Gruppe selbst. In der Vergangenheit wurden Aktivisten von blockierten Autofahrern oft beschimpft, bisweilen auch geschlagen oder von der Straße gezerrt. Am Ende löste die Polizei ihre festgeklebten Hände vom Asphalt und stellte Anzeigen.

"Reduziert man den Lärm zu radikal, fehlt die Daseinsberechtigung"

"Volksstimme" (Magdeburg): "Nun soll die Welt mit neuer Strategie gerettet werden. Die 'Letzte Generation' plant zum Beispiel Versammlungen und Betriebsbesetzungen. Außerdem sollen Politiker eingekreist und zur Rede gestellt werden. Eine ganz neue Form des Dialogs kann da entstehen. Mit dem Vorteil, dass die Klima-Enthusiasten dabei niemanden sonst stören. Mit großem Sympathie-Zuwachs außerhalb der eigenen Blase werden sie aber kaum rechnen können. Auch wenn es zahmer zugehen sollte: Es rächen sich die Fehler der Vergangenheit."

"Kölner Stadt-Anzeiger": "Wenn es künftig Stau gibt, dann liegt das nicht an einem besonders klebrigen Sekundenkleber. Dann können wir uns wieder ärgern über Ampeln, Unfälle, Baustellen, schlafmützige andere Autofahrer und darüber, dass andere überhaupt ins Auto gestiegen sind. Noch besser als sich zu ärgern, wäre es aber, die dafür nötige Energie in den Klimaschutz zu stecken."

"Frankenpost" (Hof): "Wählt man die falschen Mittel, agiert man zu aggressiv und adressiert man die falschen Personen, droht ein endgültiger Rückhalts- und Bedeutungsverlust – von dem sich die Gruppierung nicht mehr erholen würde. Reduziert man den Lärm jedoch zu radikal, wird die letzte Generation kaum noch eine wirkliche Daseinsberechtigung neben der inzwischen gemäßigten 'Fridays for Future'-Bewegung besitzen."

"Wie Protest richtig geht, zeigen die Demos gegen Rechts"

"Rheinpfalz" (Ludwigshafen): "Was ist also der Grund dafür, dass Berufsgruppen, die – durchaus nachvollziehbar – für ein besseres Einkommen oder den Erhalt von Steuerprivilegien streiten, eher Sympathie und Verständnis erfahren als junge Menschen, die sich um die Zukunft unseres Planeten sorgen? Vielleicht, weil Klimawandel immer noch als abstrakt und fern empfunden wird und man das Thema lieber weit wegschiebt. Einkommensverluste dagegen sind real und für jeden nachvollziehbar. Sicher aber auch, weil die 'Letzte Generation' mit ihren Aktionen für gewisse Politiker und gesellschaftliche Milieus ein hochwillkommenes Feindbild abgab, an dem man sich abarbeiten konnte."

Frankfurter Rundschau: "Tatsache ist: Die Unterstützung für die Umweltbewegung hat abgenommen. Dies ist aber nicht nur auf zivilen Ungehorsam zurückzuführen. Wenn die Bundesregierung die CO2-Preise erhöht, aber das versprochene Klimageld nicht einführt, ist das unfair. Die 'Letzte Generation' wird auch ohne Kleben kreativ gegen solche Ungerechtigkeiten protestieren."

"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle): "Es liegt an der Wucht anderer Entwicklungen, dass der so dringend notwendige Kampf gegen den Klimawandel auf der Tagesordnung nach unten gerutscht ist. Die Straßenblockaden sorgten für Aufmerksamkeit, der Klimaschutz allerdings rückte über den Ärger der Autofahrer in den Hintergrund. Statt um Inhalte und Protest ging es letztlich um Wutausbrüche und einen Wettbewerb zwischen dem Klebstoff der Aktivisten und Lösungsmittel der Polizei."

"Die Glocke" (Oelde): "Wie Protest richtig geht, zeigen derzeit die Demonstrationen gegen Rechts. Dort beweisen seit Wochen bundesweit hunderttausende Bürger, wie man für eine Sache einstehen kann, ohne dabei zu extremen Mitteln zu greifen. Das sollte die Letzte Generation verinnerlichen, will sie mehr Unterstützung für ihr Anliegen erhalten. Denn mit dem Thema Klimawandel trifft sie den Nerv der Zeit."

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