Kinder wandeln sich nach totalem Handy- und Internet-Verbot

04.12.2019 12:09

„Wir wissen alle, dass Fernsehen dick, dumm, traurig und gewalttätig macht“, meinte einst die frühere Familienministerin Ursula von der Leyen in Bezug auf Kinder, die zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen.

Letztlich lässt sich diese Kritik auch auf andere Bildschirmaktivitäten übertragen, wie zum Beispiel das Im-Internet-Surfen auf dem PC, Smartphone oder Tablet und das Spielen von Videogames.

Und tatsächlich zeigen verschiedene Studien, dass zu viel Zeit vor dem Bildschirm negative Folgen für Kinder und Teenager haben kann.

2019 ergab eine Studie der Universität Alberta (Kanada), dass das Risiko, ADHS-Symptome zu entwickeln, bei Kindern im Vorschulalter, die täglich mindestens zwei Stunden am Tag vor einem Bildschirm verbringen, acht Mal höher ist als bei Gleichaltrigen, deren digitale Aktivitäten auf maximal 30 Minuten pro Tag beschränkt sind.

Im selben Jahr kamen Mediziner eines Kinderkrankenhauses in Cincinnati (US-Bundesstaat Ohio) in ihrer Studie zu dem Schluss, dass die weiße Gehirnmasse bei Kindern im Vorschulalter schrumpft, wenn sie mehr als eine Stunde täglich auf den Bildschirm starren.

Die weiße Gehirnmasse ist beispielsweise bei der Entwicklung der Sprach- und Schreibfähigkeiten von großer Bedeutung.

In Anbetracht dessen entschied sich die amerikanische Autorin und Bloggerin Molly DeFrank zu einem radikalen Schritt: „Vor ein paar Monaten verboten wir unseren Kindern jegliche Bildschirmzeit“, wie die fünffache Mutter erklärt.

„Warum? Weil sich meine kleinen Lieblinge wie Monster benahmen.“ Nach nur etwas über einem halben Jahr zeigten sich erstaunliche Veränderungen. „Ernsthaft, es war, als hätte ich meine Kinder zurück“, schreibt Molly.

„Wir erlaubten ihnen zwar nur eine Stunde Bildschirmzeit am Tag, aber selbst das reichte aus, um ihre Kreativität einzuschränken und sie mürrisch, streitlustig und quengelig zu machen.“

Aber in nur kurzer Zeit trug das totale Bildschirmverbot Früchte. Die Kinder legten ihre schlechten Verhaltensweisen ab, spielten wieder miteinander anstatt per Bildschirm und fingen sogar an, sich selbst zu unterrichten.

Hinzu kam, dass sie eine zuvor ungeahnte Liebe fürs Lesen entwickelten. „Meine Tochter verbesserte sich in nur sieben Monaten um fünf Lesestufen!“

„Wir haben das Foto nicht gestellt“, sagt Molly über das Bild ihrer Kinder, auf dem sie im Bett lesen und das mit der Geschichte über die Bildschirm-Abstinenz der Familie DeFrank in den sozialen Netzwerken viral ging.

Denn natürlich wurde nicht nur den Kindern die Bildschirmzeit verboten, auch Molly und ihr Mann verzichteten auf sämtliche Bildschirmaktivitäten daheim.

So nahmen sich die Kinder ein Vorbild an ihren Eltern, als diese wieder vermehrt zu Büchern griffen, was natürlich ein entscheidender Punkt ist: Wer möchte, dass seine Kinder weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen, muss selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

Denn Erziehung heißt nicht nur, den Kindern Dinge zu erlauben oder zu verbieten. Erziehung findet auch maßgeblich darüber statt, was Eltern ihren Kindern vorleben.

Selbst wenn man auf seinem Smartphone Verschiedenes tut – also zum Beispiel etwas liest, sich anschließend ein Video anschaut und danach mit Freunden chattet –, dann sehen die Kinder nur, wie ihre Eltern das Handy in der Hand halten und darauf starren.

Zudem sollte es generell oberste Priorität haben, mit seinen Kindern aktiv Zeit zu verbringen, anstatt es sich einfach zu machen und sie als Beschäftigungstherapie vor den Bildschirm zu setzen.

Die Kinderärztin Dr. Liz Donner begrüßt Mollys Aktion und sagt zur Bildschirm-Enthaltsamkeit der Familie DeFrank: „Kinder benötigen menschliche Interaktion, um nicht nur ihre sozialen, sondern auch ihre motorischen Fähigkeiten zu verbessern.“

„Sie müssen lernen, Gesichtsausdrücke, Körpersprache, Tonfall und wechselseitige Kommunikation zu verstehen“, wie Dr. Donner ergänzt. „Allein dem Kind ab einem Alter von sechs Monaten vorzulesen, verbessert seine späteren Sprach- und Lesefähigkeiten.“

Übrigens war der Bildschirm-Entzug einfacher als gedacht, wie Molly erzählt. Zunächst war der Aufschrei natürlich groß, aber: „Nachdem das Weinen und das Zähneknirschen aufgehört hatten, wurde es einfach durchgezogen. Und was als 30-tägiges Experiment begann, wurde zu einem neuen Lebensstil.“

„Aufzuhören war erschreckend einfach und überraschend nachhaltig. Meine 9-jährige Tochter hat schon mehrmals erklärt, dass sie froh ist, die Bildschirme verbannt zu haben“, berichtet Molly nicht ganz ohne Stolz.

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