Haarausfall? So sprießen die Haare wieder

14.10.2020 11:11

Viele Menschen leiden unter Haarausfall. Bei Männern ist er häufig erblich bedingt. Bei Frauen mit starkem Haarausfall stecken oftmals Krankheiten oder hormonelle Veränderungen dahinter. Wir erklären Ihnen die verschiedenen Arten von Haarausfall und zeigen, was Sie dagegen tun können.

Geheimratsecken, Mönchstonsur oder Stirnglatze – viele Männer (und wenige Frauen) müssen sich früher oder später mit kahlen Stellen auf dem Kopf oder einem kompletten Haarverlust anfreunden. Sie leiden unter erblich bedingtem Haarausfall, der sogenannten androgenetischen Alopezie. Forschern des Columbia University Medical Center gelang es jetzt, Haare wieder nachwachsen zu lassen – allerdings nur bei Mäusen. Der Trick: Sie hemmten die Aktivität bestimmter Enzyme in den Haarfollikeln und ließen diese wieder erwachen.

Die Forscher um Angela M. Christiano experimentierten mit Mäusen und menschlichen Haarfollikeln. Auf die kahle Haut der Nager trugen sie Medikamente auf, welche die Aktivität bestimmter Enzyme aus der Familie der sogenannten Janus Kinasen (JAK) hemmten. Eingesetzt wurden zwei verschiedene JAK-Inhibitoren, die von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA schon zugelassen sind. Der Wirkstoff Ruxolitinib wird bei Blutkrankheiten, der Wirkstoff Tofacitinib bei Rheumatoider Arthritis angewendet. In klinischen Studien werden beide derzeit gegen die Schuppenflechte Psoriasis und den kreisrunden Haarausfall (Alopecia areata) getestet. Diese Form des Haarausfalls zählt zu den Autoimmunkrankheiten.

Das erstaunliche Ergebnis: Bei Mäusen, deren Haut fünf Tage lang mit einem der beiden JAK-Inhibitoren behandelt worden war, wuchsen innerhalb von zehn Tagen neue Haare. Die Medikamente beschleunigten den Haarwuchs enorm. Nach drei Wochen hatten alle behandelten Mäuse wieder dichte Haare und es gab keine kahlen Stellen mehr. Offenbar stießen die JAK-Inhibitoren den „Aufwachprozess“ der Haarfollikel an und weckten ruhende Follikel schnell aus ihrem „Schlaf“, vermuten die Forscher. Die Haarfollikel produzieren die Haare nicht ständig, sondern das Wachstum unterliegt bestimmten Zyklen zwischen ruhenden und aktiven Phasen.

> Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata)

Haarverlust – Haare wieder wachsen lassen

Damit eröffneten die JAK-Inhibitoren die Möglichkeit, die Haare auch bei Männern wieder wachsen zu lassen, die unter Haarausfall leiden und kahle Köpfe haben, hoffen die Forscher. Die Medikamente könnten auch bei anderen Formen des Haarausfalls wirksam sein, bei denen die Haarfollikel in einen Ruhezustand verfallen. „Was wir herausgefunden haben, ist vielversprechend“, sagt Angela M. Christiano, „aber wir haben noch nicht bewiesen, dass dies eine Therapie für erblich bedingten Haarausfall ist.“ In weiteren Studien wollen die Forscher herausfinden, ob JAK-Inhibitoren das Haarwachstum bei Menschen ankurbeln können, wenn man spezielle Zubereitungen für die Kopfhaut einsetzt.

Kreisrunder Haarausfall – Haarfollikel wieder „aufwecken“

Per Zufall hatten Christiano und Kollegen im letzten Jahr den Effekt der JAK-Inhibitoren auf die Haarfollikel entdeckt, als sie den kreisrunden Haarausfall näher untersuchten. Der Haarausfall bei der Alopecia areata wird durch einen Autoimmunangriff des Körpers auf die Haarfollikel verursacht. Die JAK-Inhibitoren schalteten das Signal aus, welches die Autoimmunattacke provoziert. Wurden die Medikamente oral verabreicht, ließ sich das Haarwachstum bei einigen Menschen mit kreisrundem Haarausfall wiederherstellen.

Im Lauf der Experimente stellten die Forscher fest, dass bei Mäusen mehr Haare wuchsen, wenn das Medikament direkt auf die Haut aufgebracht wurde. Dies ließ die Forscher vermuten, dass JAK-Inhibitoren noch eine andere Wirkung auf die Haarfollikel haben, als nur die Immunattacke zu stoppen

Bald Arzneimittel bei Haarausfall?

„Es gibt nicht viele Wirkstoffe, die die Haarfollikel so schnell zum Haarwachstum anregen können“, sagt Christiano. Einige gängige Mittel zum Auftragen auf die Haut sorgten lediglich dafür, dass nach einigen Wochen hier und da vereinzelte Haare sprießten. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die beiden Medikamente auf menschliche Haarfollikel genauso wirken wie bei den Mäusen.

Unklar sei noch, ob die JAK-Inhibitoren ruhende Haarfollikel beim erblich bedingten und anderen Formen des Haarausfalls wieder aufwecken könnten, so die Forscher. Daran werde aber bereits geforscht.

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Weitere Ursachen von Haarausfall

Haarwurzeln können sehr empfindlich auf Einflüsse von außen, aber auch auf körperliche Veränderungen reagieren. Die Ursachen von unnatürlich starkem, gleichmäßigem Haarausfall (Effluvium) sind also sehr vielfältig:

  • Erkrankungen wie Essstörungen (Bulimie, Anorexie), Morbus Crohn (entzündete Darmwand) und andere Darmerkrankungen sowie Grippe, Depressionen, Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Diabetes), Geschlechts- oder Hauterkrankungen (zum Beispiel Schuppenflechte)
  • Therapien, die den Körper „stressen“: Chemotherapie, Radiotherapie oder Hypothermie. Dabei fallen nicht nur die Kopfhaare aus, sondern auch Körperbehaarung wie Wimpern oder Augenbrauen
  • Mangelversorgung, etwa mit Vitaminen, Eisen und Zink. Aber auch eine Überdosierung von Vitamin A und C oder Folsäure
  • Extreme Diäten und eine einseitige Ernährung
  • Pilzerkrankungen der Kopfhaut
  • Fehlfunktionen der Schilddrüse
  • Übersäuerung, zum Beispiel durch ungesunde Ernährung: Um die Säuren zu neutralisieren, „sammelt“ der Körper basische Mineralien ein – zum Beispiel aus dem Haarboden
  • Medikamente zur Blutgerinnung, Beta-Blocker, Schilddrüsen-Medikamente oder Retinoide (zur Behandlung von Hautkrankheiten)
  • Stress: Wenn Sie gestresst sind, schüttet Ihr Körper verstärkt Botenstoffe aus, die die Haarwurzel und ihre Umgebung schädigen können

Haarausfall stoppen

Wenn Sie unter Haarausfall leiden oder sich nicht sicher sind, sollten Sie einen Hautarzt aufsuchen. Er kann Ihnen helfen, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Bereiten Sie sich auf den Termin vor, indem Sie die Antworten auf folgende Fragen notieren – damit helfen Sie Ihrem Arzt bei der Diagnose:

  • Leiden Sie unter einer (chronischen) Erkrankung?
  • Nehmen Sie Medikamente ein? Wenn ja, welche?
  • Waren Sie in den letzten Wochen und Monaten besonders gestresst?
  • Hat sich Ihr Zyklus in letzter Zeit verändert?

Manchmal kann ein Mediziner mit bloßem Auge an der Haut oder den Haaren erkennen, ob eine Krankheit der Grund dafür ist, dass Ihnen die Haare ausgehen. Ein Blutbild hilft dabei, Entzündungen oder Mangelerscheinungen festzustellen oder als Ursache auszuschließen.

Wenn eine Untersuchung der Haut, der Haare und des Blutes keine Ergebnisse liefert, wird Ihr Hautarzt eine Haarwurzelanalyse (Fachbegriff: Trichogramm) durchführen. Auch wenn es schwer fällt: Waschen Sie Ihre Haare das letzte Mal fünf Tage vor dieser Untersuchung, dann wird das Ergebnis am aussagekräftigsten. Bleibt auch sie ergebnislos, wird eventuell eine Gewebeprobe aus der Kopfhaut entnommen und untersucht.

Quelle:

Christiano AE et al.: „Pharmacologic inhibition of JAK-STAT signaling promotes hair growth“, Science Advances, 23 Oktober 2015, Vol. 1, no. 9, e1500973, DOI: 10.1126/sciadv.1500973

 

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