Gründerin der Kabul Luftbrücke über Afghanistan: Ich bin inzwischen hoffnunglos

20.06.2022 13:07

Neun Monate nach der Machtübernahme der Taliban sitzen immer noch Tausende in Afghanistan und umliegenden Ländern fest. Die Situation wird jeden Tag schlimmer, beschreibt die Gründerin der "Kabul Luftbrücke" Theresa Breuer die Situation vor Ort. 

Im August 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Seitdem wird die Situation mit jedem Tag düsterer, sagt Theresa Breuer in der 299. Folge von "heute wichtig": "Ich hatte gehofft, dass die Taliban ein paar ihrer Ankündigungen wahr machen würden und doch ein nicht so strenges Regime aufbauen würden. Nun war ich vor drei Wochen das letzte Mal dort und bin inzwischen hoffnunglos.

Breuer ist Filmemacherin und hat in den Tagen der Machtübernahme die "Kabul Luftbrücke" gegründet. Die Initiative hat seitdem rund 2000 Menschen mit Aufnahmezusage gerettet – also Ortskräfte oder besonders gefährdete Personen, die unter den Taliban um ihr Leben fürchten mussten, denen von der Bundesregierung deshalb die Aufnahme garantiert wurde. Diese Liste wurde am 31. August 2021 vorerst geschlossen, seitdem gab es nur wenige Nachrücker. Und das, obwohl noch Tausende mit entsprechender Zusage vor Ort sitzen oder auf Grund ihrer Tätigkeiten auf diese Liste gehörten, sagt Theresa Breuer. 

Samim ist aus Afghanistan geflohen: "Ich war einer der größten Feinde der Taliban" 

Ahmad Samim Jabari und Hamed Valley sind zwei der insgesamt etwa 21.000 Menschen, die bisher nach Deutschland ausreisen konnten. Samim hat als Ortskraft für die Bundeswehr gearbeitet: "Ich bekam Angst um mein Leben, weil ich offen gegen die Taliban gearbeitet habe und deshalb einer ihrer größten Feinde war. Jedes Mal, wenn ich mir vorgestellt habe, dass die Taliban mich erwischen, hatte ich Angst, dass sie mich töten würden." Und Hamed steht als Gründer der ersten Model-Agentur Afghanistans "Modelstan" gegen alles, was die Taliban vertreten. Er hatte keine Chance, seinen Job weiterzuführen: "Über die Medien haben die Taliban die Bevölkerung informiert, dass es keine Musik, keine Modeschauen und keine Fernsehsendungen mehr geben soll, in denen weibliche Sängerinnen, Models oder Künstlerinnen auftreten. Das ist in Afghanistan jetzt verboten." 

Tausende mit Aufnahmezusage stecken immer noch in Afghanistan fest 

Mittlerweile leben beide in Deutschland in Sicherheit und sind dankbar, dass sie gerettet wurden. Tausende andere haben zwar ebenfalls eine Aufnahmezusage, stecken aber in Afghanistan oder in umliegenden Ländern fest. Das ergab eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger an die Bundesregierung. Wer bis zum 31. August 2021 überhaupt auf dieser Liste stand, habe vor allem Glück und gute Kontakte gehabt, sagt die Gründerin der "Kabul Luftbrücke" Theresa Breuer: "Im August 2021 war es eine absolute Lotterie, wer eine Aufnahmezusage bekam, und wer nicht." Dabei stünden zu viele Personen noch nicht auf der Liste, die ebenso gefährdet sind, wie beispielsweise Samim und Hamed. 

Die aktuelle Bundesregierung weist den Vorwurf der Willkür allerdings von sich. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es: "Innerhalb der letzten Bundesregierung wurde entschieden, für die pauschale Aufnahmezusage nur Personen in Betracht zu ziehen, die von der Bundesregierung bis zum Ende der militärischen Evakuierung identifiziert worden waren." Wer zu spät dran war oder keine guten Kontakte zu Medien oder anderen Organisationen vor Ort hatte, dürfte es schwer gehabt haben, so Breuer. 

Gründerin der Kabul Luftbrücke: "Die Situation wird von Tag zu Tag desolater" 

Doch vielen Afghaninnen und Afghanen geht es heute deutlich schlechter als noch vor einem Jahr, beschreibt Theresa Breuer ihre Eindrücke vor Ort: "Die Situation der Frauenrechte wird immer schlimmer. Und ganz allgemein im Land: Die Taliban bauen nichts auf, es wird keine Infrastruktur gebaut, und inzwischen leben 97 Prozent aller Afghanen unter der Armutsgrenze." Auf diese Zahl kommen Berechnungen des Kinderhilfswerk Unicef. Deshalb arbeitet Breuer mit ihrer Initiative "Kabul Luftbrücke" auch weiterhin daran, dass Menschen, denen die Bundesregierung die Aufnahme garantiert hat, tatsächlich nach Deutschland flüchten können. 

 

 

Quelle