Größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt : Auffällig viele Arbeitsunfälle in Teslas deutscher Fabrik

28.09.2023 12:27

Verletzungen durch Verbrennungen, Salzsäure oder amputierte Gliedmaßen: Bisher unbekannte Dokumente von Behörden und Rettungsdiensten zeigen, dass es bei Autobauer Tesla in Brandenburg zu besonders vielen Arbeitsunfällen kam.  

In der Fabrik des amerikanischen Autobauers Tesla im brandenburgischen Grünheide ereignen sich auffallend viele Arbeitsunfälle, darunter schwere und schwerste. Das berichtet der stern unter Berufung auf bisher unbekannte Dokumente von Behörden und Rettungsdiensten. 

Nach Recherchen des Magazins geht aus einer Aktennotiz des Landesamts für Arbeitsschutz hervor, dass auf dem Werksgelände über einen längeren Zeitraum fast täglich Unfälle passierten. Allein zwischen Juni und November 2022 gab Tesla selbst demnach mindestens 190 meldepflichtige Unfälle an. In Deutschland sind alle Arbeitsunfälle meldepflichtig, nach denen Arbeitnehmer mindestens drei Tage arbeitsunfähig sind. 

"Diese Häufigkeit an Arbeitsunfällen ist nicht normal"

Wie der stern weiter berichtet, dokumentieren Unterlagen der Rettungsstellen zudem, dass Musks Fabrik im ersten Jahr nach der Eröffnung 247-mal einen Rettungswagen oder Hubschrauber anforderte. Auf die Mitarbeiterzahl umgerechnet, seien dies – in ähnlichem Zeitraum – dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise in Audis Werk in Ingolstadt. Die Rettungsberichte zeigen unter anderem, dass einem Mitarbeiter aus mehreren Meter Höhe eine 50 Kilogramm schwere Holzkiste auf den Kopf fiel oder ein Mitarbeiter in einen Dosierofen mit glühend heißem Aluminium mit dem Fuß einbrach. Zudem hätten die Retter Verletzungen durch Verbrennungen, Salzsäure oder amputierte Gliedmaßen aufgelistet.

Der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze, sagte dem stern: "Diese Häufigkeit an Arbeitsunfällen ist nicht normal". Es handele sich vielmehr um ein Mehrfaches dessen, was in anderen Automobilfirmen üblich sei. "Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt." Tesla selbst äußerte sich dem Bericht zufolge weder zu den Dokumenten noch zu Vorwürfen von Mitarbeitern und Arbeitsrechtlern. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dem Magazin, dass im Werk fast jeden Tag Unfälle passierten, sei ihm "nicht unbekannt". Er sei aber "nicht der Sprecher von Tesla". 

Die ganze Recherche zu den Verstößen in der Tesla Gigafactory in Grünheide lesen Sie hier. 

Dieser Artikel erscheint als Teil eines großen Rechercheprojekts des stern zur Tesla-Fabrik in Grünheide. Das ganze Recherche- und Autorenteam: Emin Aiche, Valeria Bajaña Bilbao, Christian Esser, Moritz Dickentmann, Manka Heise, Isa von Heyl, Tina Kaiser, Karolina Kaltschnee, Lucie Kieschke, Kristofer Koch, Birte Meier, Marc Neller, Kristina Ratsch, Kim Lucia Ruoff. Faktencheck: Quality Board von stern und Geo

Weiteres zu Tesla: An diesem Donnerstag um 22.35 Uhr startet bei RTL das neue Fernsehmagazin "stern Investigativ.", das Sie dann auch bei RTL+ abrufen können. Am gleichen Abend präsentiert der stern erstmals den seriellen "stern Investigativ."-Podcast — bei RTL+ und stern.de sowie überall, wo es Podcasts gibt.

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