Göttliche Zuversicht: Was nichtreligiöse Menschen von Gläubigen lernen können

15.03.2019 09:29

Gläubige sind oft gesünder und mit ihrem Leben zufriedener. Was können nichtreligiöse Menschen von ihnen lernen?

Seit jeher suchen Menschen eine Verbindung zu übersinnlichen Welten, um so Stärke zu gewinnen, Ängste zu überwinden, Trost zu finden – ja sogar Lebensglück. Und tatsächlich: Religiöse und spirituelle Menschen sind, so zeigen Studien, tendenziell körperlich gesünder als Nicht- Gläubige. Und glücklicher.

Denn kaum etwas spendet mehr Zuversicht, stiftet so viel Sinn und Halt wie der Glaube an höhere Mächte. Verlieren gläubige Menschen einmal das Vertrauen in die eigenen Kräfte, in die Mitmenschen, in die Welt, dann gibt es da immer noch etwas Größeres: eine zwar undurchschaubare, aber absolute Ordnung der Dinge.

Wohl aus dem Bedürfnis nach diesem Gefühl der Sicherheit muss Homo sapiens einst die Überzeugung entwickelt haben, dass transzendente, also die Erfahrungswelt übersteigende Kräfte das Leben beeinflussen, allem Unbekannten und Unverständlichen ein wenig Schrecken nehmen können.

Tiere, Gegenstände, Naturgewalten: Jedes Phänomen kann im Glauben daher als Ausdruck übersinnlichen Wirkens gelesen werden. Nichts ist dann bedeutungslos, und jeder hat seinen festen Platz in der Welt – weil alles einem göttlichen Plan folgt.

Tiefschläge, Dankbarkeit und Lebensglück

Spirituelle Menschen verkraften Tiefschläge im Leben häufig besser als eher nüchterne Zeitgenossen, sie verfügen oft über eine große psychische Widerstandskraft. Die Zahl persönlicher Berichte von Menschen, die in Momenten der Not im Glauben Trost fanden, ist nicht zu überschauen. Sie berichten von dem beruhigenden Gefühl, trotz aller Qual aufgehoben zu sein in einem spirituellen Kosmos, der weit über die eigene Existenz hinausreicht.

Gläubige, die sich einer Religion wie dem Christentum oder dem Islam zugehörig fühlen, empfinden zudem meist tiefe Dankbarkeit ihrem Schöpfer gegenüber. Jede Wohltat nehmen sie als Geschenk Gottes wahr. Viele verspüren deshalb auch eine tiefe Verbundenheit zur Natur, sehen voll Ehrfurcht und Freude, wie Göttliches an Tieren oder Pflanzen wirkt.

Doch nicht der Glaube allein mehrt das Lebensglück spiritueller Menschen. Sondern auch der besondere Lebensstil, der oft dazugehört. So leben Gläubige häufig eingebunden in eine Gemeinschaft, stützen im Alltag andere – und fühlen sich selbst von anderen getragen. Darüber hinaus praktizieren sie in der Regel Rituale und folgen Traditionen, die ihrem Dasein eine Struktur verleihen und Stabilität.

Kraft schöpfen

Oft schöpfen Gläubige auch Kraft aus regelmäßigen Gebeten oder Meditationen. So gewinnen sie Raum ganz für sich, jenseits von Aufgaben und Herausforderungen des Alltags. Zudem erlangen sie so Übung darin, ihr Gehirn in einen Zustand konzentrierter, aber unangestrengter Aufmerksamkeit zu versetzen – und, so vermuten manche Hirnforscher, aktivieren so auch beglückende Hormone im Gehirn.

Manche Gläubige praktizieren überdies sanfte Bewegungsformen wie Tai-Chi, Qigong oder Yoga. Diese drei Methoden, in denen geistige Versenkung und körperliche Aktivität miteinander verschmelzen, können auch nichtreli­giösen Menschen helfen, sich zu entspannen und ein Gefühl von Kontrolle zu gewinnen – sie mithin vor Stress und bedrückender Stimmung bewahren.

Doch vielleicht ist der Glaube vor allem in einer Hinsicht beglückend: Er kann Menschen helfen, die Qual der mitunter monströsen Frage nach dem „Warum” zu mildern. Nahezu jede Religion entwirft eine Erklärung dafür, weshalb wir existieren, woher wir kommen und wohin wir dereinst gehen.

Der Glaube ist ambivalent

Anhänger vieler Glaubensrichtungen, von kleinen Stammesreligionen bis zu den großen christlichen Konfessionen, finden besonderen Trost in der Vorstellung, dass Verfall, Krankheit und gar der Tod nicht von Dauer sind. Ihr Glaube vermittelt ihnen die Gewissheit, dass das Schlechte in dieser Welt von Genesung, Wiedergeburt oder ewigem Leben in einer anderen Welt abgelöst werden wird. Solche Überzeugungen sind ein Quell der Hoffnung – und festigen so die Lebenszufriedenheit im Hier und Jetzt.

Allerdings kann der Glaube seine wohl- tuende Macht nur entfalten, wenn er aus eigenem Antrieb empfunden wird: Wahrhaft spirituelle Menschen begegnen Fremden eher mit positiven Erwartungen, haben Forscher herausgefunden, und sind in hohem Maße bereit, andere zu akzeptieren und zu unterstützen. Gläubige hingegen, denen ihre Religion eher durch eine Gemeinschaft aufgezwungen wird, geben sich intoleranter, engstirniger, unbarmherziger.

Glaube ist also ambivalent: Er kann Menschen beglücken und quälen. Darin liegt eine ureigene Besonderheit des Übersinnlichen. Das Heilige, schrieb der evangelische Theologe Rudolf Otto, ist immer abschreckend und anziehend zugleich, bedrohlich und fesselnd.

Es lässt uns erzittern – vor Angst und vor Glück.

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