Gesundes Fasten:

22.02.2019 15:53

Kaffee mit einem Schuss Mandelmilch und drei, vier Nüsse: Mehr isst Biochemiker Frank Madeo meist nicht zum Frühstück - und das aus gutem Grund, wie er dem Bestseller-Autor Bas Kast verriet. 

Ein Interview von Bas Kast

Abends in Graz, nach dem Besuch bei ihm im Labor, gehe ich mit Frank Madeo essen, italienisch. Madeo bestellt eine Antipasti-Platte und Ravioli. Als das Essen kommt, hebt sich seine Stimmung schlagartig und es entwickelt sich ein lebhaftes Gespräch in bester Laune.

Lieber Herr Madeo, es ist sieben Uhr abends, wie schmeckt der erste Biss des Tages?

(lacht) Fantastico! Wenn du nach dem Fasten isst, hast du eine starke Serotoninausschüttung, das Ganze wirkt also auch antidepressiv. Genau genommen aber war das jetzt nicht mein allererster Bissen.

Ach so? Was haben Sie sich denn heute schon gegönnt?

Ich starte jeden Tag mit frisch gemahlenem Kaffee, darin ein Schuss Mandelmilch. Dazu esse ich drei, vier Nüsse – nicht mehr.

Klingt nach einem eher leichten Frühstück.

Es kommt mir darauf an, dass ich diesem heilsamen Vorgang der Autophagie, der nach einer Nacht anläuft, nicht allzu sehr in die Quere komme. Wie wir entdeckt haben, regt Kaffee den Selbstreinigungsprozess der Körperzellen an, und zwar richtig stark. Kuhmilch ersetze ich durch Mandelmilch, weil Kuhmilch ein Wachstumsgetränk und damit ein starker Hemmer der Autophagie ist. Die wenigen fettreichen Nüsse fallen vermutlich kaum ins Gewicht. Beim Fasten schaltet der Körper ja von einem Zucker- in einen Fettverbrennungsmodus. Der Körper läuft also ohnehin schon auf Fett. Du bleibst im Fastenstoffwechsel.

Nach diesem "Frühstück" aber gibt es für Sie bis zum Abend nichts mehr.

In der Regel ja. Ich mache das an 7 oder 8 von 10 Tagen, bin aber nicht dogmatisch. Manchmal, wenn ich auf Reisen bin und in einem Hotel übernachte, kann es passieren, dass ich vor dem Frühstücksbuffet kapituliere. Es ist das Tägliche, was dich umbringt, nicht das Gelegentliche.

Warum tun Sie sich die Fastentage überhaupt an?

Wenn man im eigenen Labor sieht, wie gut das Fasten den unterschiedlichsten Organismen tut, von Fliegen über Mäusen bis Menschen, dann fragt man sich irgendwann: Warum machst du das eigentlich nicht auch selber? Alte Fliegen, die fasten, sind fitter, sie haben mehr Muskeln, weniger Fett, ein besseres Gedächtnis, und sie leben länger.

Diese Fliegen fasten ähnlich wie Sie?

Sie fasten zwölf Stunden täglich, auf uns Menschen übertragen wären das wohl 20 bis 30 Stunden, weil Fliegen einen schnelleren Stoffwechsel haben, sie leben gewissermaßen schneller.

Sie essen also nur eine große Speise am Tag. Wie halten Sie das durch?

Es ist verblüffend leicht, schon nach einer Woche bist du so daran gewöhnt, dass du gar kein Frühstück mehr haben willst. Dann wird es motivierend, denn du wirst schärfer im Verstand, kannst dich besser konzentrieren, hast weniger Infektionen.

Gibt es für diese Effekte eine Erklärung?

 

Durch den Nahrungsentzug wird der erwähnte Selbstreinigungsprozess des Körpers aktiviert. Unsere Zellen fangen an, ihren eigenen Schrott aufzuräumen, Eiweißansammlungen, defekte Zellbestandteile. Dieser molekulare Müll sammelt sich im Alter an und führt zum Beispiel zu Krebs oder neurodegenerativen Erkrankungen, wie Parkinson und Alzheimer. Bei einem Energiedefizit baut die Zelle den Müll in ihrem "Magen" ab, sie verdaut und recycled ihn. Die erhöhte Konzentration ist wahrscheinlich evolutionsbiologisch bedingt: Wenn Du schon ein, zwei Tage hungerst, dann sagt der Urmensch in dir: Hör mal, du Loser, du hast seit zwei Tagen kein Wild mehr erlegt, jetzt pass mal besser gut auf, sonst bist du bald weg vom Fenster!

Cool. Wie lange muss man fasten, damit man in den Genuss dieser Vorzüge kommt?

Nach 15 bis 20 Stunden läuft der Vorgang der Autophagie auf vollen Touren, das haben wir gemessen. Ob die Zellen dann schon vollständig aufgeräumt sind, ist eine andere Frage. Kann gut sein, dass man dafür länger fasten muss. Wir wissen es nicht.

Achten Sie jenseits dieser täglichen Fastenperioden noch darauf, was Sie essen?

Ich bin Süditaliener, Genießer, ich esse, was ich will. Ich achte dabei auf ein paar Sachen: Nüsse sind mir heilig, sie sind klar mit einer Lebensverlängerung assoziiert. Nüsse esse ich jeden Tag, Pistazien, Macadamia, Paranüsse. Darüber hinaus versuche ich, eine ordentliche Portion Gemüse abzubekommen, gebratene Aubergine, Paprika, Brokkoli. Ich esse die faserigen Strünke, die andere wegschmeißen, zum Beispiel bei Fenchel oder Sellerie. Alles, was "holzig" ist. Das ist die perfekte Nahrung für meine Darmbakterien. Das Geniale dabei ist: Jene Darmbakterien, die auf dieses Futter stehen, vermehren sich und schicken Signale ans Gehirn, die dafür sorgen, dass man mehr davon essen will. Was anfangs nicht schmeckt, schmeckt auf diese Weise immer besser.

Wow, man kann die eigene Darmflora regelrecht umprogrammieren?

Genauso ist es. Das gilt umgekehrt auch für Ungesundes, also wenn du viel Zucker isst und dir Pilze hochzüchtest, die dann immer mehr Zucker wollen.

Was essen Sie noch?

Natürlich Lebensmittel mit viel Spermidin. Das stimuliert ebenfalls das zelluläre Aufräumprogramm. Weizenkeime, gereifter Käse, Champignons. Dann viel kaltgepresstes Olivenöl, wegen der ungesättigten Fettsäuren und dem Vitamin E. Viel Tomatensoße. Gelegentlich Fisch, gelegentlich Fleisch. Ein Fehler im System bei mir: Ich esse immer noch zu viele Süßigkeiten. Die sind leider einfach nur schlecht. Dunkle Schokolade hingegen ist super, vor allem fürs Gedächtnis.

Gelegentlich Fisch, gelegentlich Fleisch: Ist Fisch nicht die weitaus gesündere Variante?

Doch. Fleischkonsum, nicht aber Fischkonsum wird in vielen Studien mit Krebs und kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Warum das so ist, ist noch nicht genau bekannt, man weiß aber, dass Fleischesser insgesamt mehr und andere Aminosäuren (die Bausteine, aus dem Eiweiß besteht, Anm. d. Red.) im Blut haben, als Fischesser. Das könnte ein Grund für das vermehrte Auftreten von Altersleiden sein.

Trotzdem essen Sie Fleisch.

Man sollte den Fleischkonsum minimieren, nicht eliminieren. Es gibt Tausende von Stoffen im Fleisch, die wir nicht kennen, und wir sind als Fleischesser evolviert. Einmal die Woche Fleisch scheint mir eine gute Faustregel zu sein. Ich meine hier allerdings gutes, unverarbeitetes Fleisch, nicht Wurst und auch nicht Fleisch aus der Massentierhaltung. Für den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum mit Erkrankungen ist hauptsächlich die Wurst verantwortlich. Übrigens nutzt regelmäßiger Fleischverzehr vor allem Kindern und älteren Menschen, eventuell sogar öfter als einmal pro Woche.

Für Kinder gelten somit andere Regeln?

Kinder sollen alles essen, und, was naturbelassene Lebensmittel betrifft, so viel sie wollen. Nur bei Zucker und Junkfood würde ich gelegentlich auf die Bremse treten. Ich finde es gefährlich, mit irgendwelchen Dogmen an den Kindern herumzuexperimentieren. Zum Beispiel gibt es Studien, die zeigen, dass Fleisch in der Ernährung Kindern einen körperlichen und geistigen Entwicklungsvorteil verschaffen kann. Schließlich sind die Kindheit und Jugend jene Zeit, in der Essstörungen angelegt werden. Also, lasst die Kinder in Ruhe! Natürlich sollte man sie an den Gedanken gewöhnen, dass Gemüse nicht giftig ist …

Und ältere Menschen?

Ältere Menschen leiden irgendwann an Muskelschwund, und dem kann mit fleischreicher Ernährung entgegengearbeitet werden.

Herr Madeo, stimmt die Empfehlung meiner Großmutter, bei Infektionen Zwiebelsud zu trinken?

Oh ja, Zwiebeln und Knoblauch können sogar Mäuse gegen Infektionskrankheiten schützen. Studien an Menschen belegen, dass Knoblauch den Cholesterinspiegel im Blut senkt und das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, halbiert. Zwiebeln senken den Zuckerspiegel des Blutes, haben also auch positive metabolische Effekte.

Okay, noch einen letzten Anti-Aging-Tipp bitte.

Einmal am Tag Hunger spüren ist eine gute Sache, ganz im Sinne der Autophagie: Begrüße den Hunger wie einen Freund, dann wird dein Körper aufgeräumt.

Quelle