Auf Twitter hat ein Nutzer mit dem Namen John Bull eine herzzerreißende Geschichte veröffentlicht, die viel Anklang gefunden hat. Sie handelt von einer älteren Dame in London, die aus einem ganz bestimmten Grund regelmäßig eine U-Bahn-Station besucht:
„Lehnt euch zurück und lasst mich euch eine Geschichte über London, Züge, Liebe, Verlust und gute Taten erzählen.
Ich werde berichten, was es mit der Stimme in der Londoner U-Bahn-Station 'Embankment' auf sich hat. Kurz vor Weihnachten im Jahr 2012 sprach eine sehr traurige Frau das Personal in der Station an. Sie fragte immer wieder, wo die Stimme hin sei. Die Angestellten waren sich nicht sicher, was sie meinte. Die Stimme? Die Frau bezog sich auf den Mann, der nach Ankunft eines Zuges diesen einen Satz sagt: 'Mind the gap.' (Eine deutsche Entsprechung ist: 'Bitte achten Sie auf den Abstand zwischen Zug und Bahnsteigkante', Anm. d. Red.)
'Keine Sorge', erwiderten die U-Bahn-Angestellten, 'die Durchsagen gibt es immer noch. Das ganze System wurde inzwischen digitalisiert. Das heißt: neue Stimmen, mehr Abwechslung.' Die Mitarbeiter fragten die ältere Dame, ob alles in Ordnung sei. 'Die Stimme', sagte sie, 'das war mein Ehemann.' Die ältere Dame, eine Hausärztin mit dem Namen Dr. Margaret McCollum, erklärte, dass ihr Ehemann der Schauspieler Oswald Laurence gewesen sei. Oswald hatte zwar keine große Bekanntheit erlangt, jedoch war er derjenige gewesen, der in den siebziger Jahren seine Stimme für die Durchsagen der U-Bahn-Linie 'Northern Line' lieh. Oswald starb 2007.
Sein Tod brach Margarets Herz. Es gab jedoch etwas, das ihr half, mit diesem Verlust umzugehen: Jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit ging, hörte sie in besagter U-Bahn-Station seine Stimme. Manchmal, wenn es zu sehr wehtat, blieb sie länger am Bahnsteig sitzen und lauschte dem Hinweis ihres verstorbenen Ehemannes wieder und wieder.
Fünf Jahre lang besuchte sie die Station regelmäßig. Natürlich wusste sie, dass er nicht wirklich da war, doch seine Stimme – die Erinnerung an ihn – war es. Für alle Passanten war es nur eine Stimme. Für sie war es aber eine Reminiszenz an ihren Mann, den sie noch immer liebte. Doch nun war Oswald endgültig verstummt.
Die Mitarbeiter der Station baten um Entschuldigung, doch in der U-Bahn sei nun einmal dieses neue System installiert worden. Daran könne man nichts ändern. Sie versprachen ihr aber, dass sie nach den alten Tonaufnahmen suchen und ihr bei Erfolg eine Kopie zukommen lassen würden. Margaret wusste, dass das unwahrscheinlich war, bedankte sich aber trotzdem.
Im darauffolgenden Jahr saß Margaret wie gewöhnlich in der Station 'Embankment'. Zu ihrer Überraschung erklang aus den Lautsprechern eine ihr sehr vertraute Stimme: die ihres Mannes, den sie so sehr geliebt hatte. Sie hatte sich fast schon an den Gedanken gewöhnt, dass sie seine Stimme nie wieder hören würde.
'Mind the gap', sagte Oswald Laurence.
Es stellte sich nämlich heraus, dass es vielen Menschen, auch Mitarbeitern der Verkehrsbetriebe selbst, so ging wie Margaret und dass sie alles dafür geben würden, wieder die Stimme ihrer Lieben zu hören. Ihnen wurde bewusst, dass das im Falle der Witwe wenigstens dieses eine Mal möglich war.
Alte Archive wurden durchstöbert, alte Kassetten gefunden und restauriert. Viele Mitarbeiter haben lange gearbeitet, um die historischen Aufnahmen zu digitalisieren. Andere haben sich durch den Code des Durchsagesystems gekämpft, um ihn zu verändern. Nebenbei musste noch viel Papierkram erledigt werden, Ausnahmegenehmigungen wurden erlassen. Zusammen haben die Angestellten der Londoner Verkehrsbetriebe erreicht, dass Oswald wieder die Ansagen macht.
Deshalb kann man selbst heute noch in der Station 'Embankment' eine Stimme hören, die sich von allen anderen unterscheidet.
Es ist Oswald.
Euch allen fröhliche Weihnachten!“
Das folgende Video (auf Englisch) zeigt einen weitestgehend dialoglosen Kurzfilm, der auf dieser Geschichte basiert:
Wirklich ergreifend! Wie schön, dass die U-Bahn-Mitarbeiter für Margaret eine Ausnahme gemacht haben. Wer weiß, wie viel Trost sie ihr damit verschafft haben. Ganz bestimmt haben sie Margaret geholfen, ihren tragischen Verlust zu verarbeiten.