DREI MISSBRAUCHSOPFER ERZÄHLEN „Nonne presste meinen Kopf zwischen ihre Oberschenkel“

14.03.2019 17:09

Berlin – Vergangene Woche berichtete ein BILD-Reporter, wie er als Kind auf dem Klosterhof im niederbayerischen Oberroning missbraucht wurde – und wie die Kirche ihn anschließend zum Schweigen brachte. Seitdem meldeten sich Dutzende Leser, die Ähnliches erlebten.

Stellvertretend für viele andere erzählt BILD drei Einzelschicksale von Menschen, die bis heute an ihren erlebten Traumata leiden. Und ebenfalls mundtot gemacht werden sollten. Trotzdem fanden sie den Mut zu erzählen, was geschah. Um die Öffentlichkeit wachzurütteln.

Alfred Lannert (69) aus Frankfurt/Main

Alfred Lannert (69) aus Frankfurt am Main besuchte von 1959 bis 1963 das Nonnenkloster Nardinihaus in Pirmasens (Rheinland-Pfalz). Er erzählt:

Meine Eltern trennten sich, als ich fünf war. Weil meine Mutter arbeiten musste und meine Oma mit meiner Betreuung überfordert war, brachte das Jugendamt mich im Nonnenkloster unter. Was ich dort erlebte, verfolgt mich mein ganzes Leben. Ich weiß manchmal nicht mehr, was ich vorgestern gemacht habe. Aber aus meiner Zeit bei den Nonnen ist leider jedes Detail ganz klar in meinem Kopf.

Die Schlimmste war Schwester Hildegard. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, mich für absurde Kleinigkeiten zu bestrafen, presste sie meinen kleinen Kopf zwischen ihre Oberschenkel. Meist schlug sie mir dabei mit einem Handfeger auf den Hintern. Erst Jahre später verstand ich, dass ihr das Lust bereitete, diese Position ihr Befriedigung verschaffte.

Als ich ein bisschen älter war, badete eine andere Nonne mich. Sie gab vor, mir zeigen zu wollen, wie man sich richtig wäscht. Sie seifte meinen nackten Körper ein und rubbelte so lange an meinem Penis herum, bis ich meinen ersten Samenerguss hatte.

Doch das ist nur ein Bruchteil von dem, was geschah. Die Nonnen operierten mich einmal ohne Betäubung am Arm, später noch einmal am Knie, schnitten mir mit einem Skalpell ins Fleisch. An anderen Tagen zwangen sie mich dazu, zwei Stunden aufrecht auf einem Holzscheit zu knien.

Ich will nicht alles, was in meinem Leben schiefgelaufen ist, auf die Misshandlungen von damals schieben. Aber ich brachte nichts wirklich zu Ende. Begann Ausbildungen zum Koch, Metzger, Dekorateur – und brach alle ab, weil ich mir nichts sagen lassen wollte. 2004 zerbrach auch meine Ehe.

Vor einigen Jahren durfte ich mir im Rahmen einer Aufarbeitungskampagne neue Möbelstücke im Wert von 10 000 Euro aussuchen. Aber wenn die Verantwortlichen der Kirche glauben, dass die neue Waschmaschine, der Trockner, die Spülmaschine und der Staubsauger die Taten von damals reinwaschen können, haben sie sich geirrt.“

Dieter Schmitt Eiden (63) aus Mayen

► Dieter Schmitt Eiden (63) aus Mayen (Rheinland-Pfalz) träumte als kleiner Junge davon, Mönch zu werden. Mit zehn Jahren trat er eine Woche lang in den Hungerstreik – damit seine Mutter ihn endlich auf der Klosterschule Kreuzburg Grosskrotzenburg anmeldet. Ein Jahr später erfüllte sie ihm den Wunsch. Er erzählt:

„Ich war glücklich, dass meine Eltern mich auf diese Schule ließen. Doch schnell zeigte sich, dass die Realität weit entfernt war von dem, was ich mir vorgestellt hatte.

Es begann in der Bibliothek. Einer der Mönche stellte mir nach, schlich um mich herum, schenkte mir Schokolade und Äpfel und betonte immer wieder, dass er und die anderen jetzt meine Väter seien, ich meine Eltern vergessen solle. Als er mich zu küssen versuchte, schlug ich ihm ins Gesicht und die Brille kaputt. Dadurch hatte ich erst einmal meine Ruhe.

Später bekam ich Latein-Nachhilfe vom Schulleiter höchstpersönlich. Er rief mich abends in sein Direktorat, ich sollte mich auf einen Stuhl setzen, wurde von grellen Scheinwerfern angestrahlt. Er saß hinter seinem Schreibtisch, machte seltsame Geräusche, seine Kutte raschelte. Dies ging ein paar Mal so, bis er mich eines Tages aufforderte, doch mal aufzustehen und zu ihm zu kommen. Kaum trat ich an ihn heran, sah ich seinen nackten, steifen Penis. Er spritzte mir ins Gesicht, traf meine Augen, es war ekelhaft. Ich wusch mich danach stundenlang.

 

Als ich mich an einen Erzieher, dem ich vertraute, wand, versuchte auch dieser, mich anzumachen und fragte: ,Was würdest du denn tun, wenn ich dich jetzt küssen würde?‘ Er gab mir deutlich zu verstehen, dass mir keiner meine Geschichten glauben würde.

Der Gipfel des Missbrauchs war eine Onanie-Orgie auf meinen nackten Körper, als ich schon 16 oder 17 war. Sie aßen und tranken mit mir einen ganzen Abend, hielten mir dann ein mit Äther getränktes Tuch unter die Nase, sodass ich bewusstlos wurde. Als ich wieder zu mir kam, war ich nackt und alles voller riesiger Sperma-Pfützen.

Als ich Jahrzehnte später begann, die Taten aufzuarbeiten, sagte einer der Pater von damals nur, dass man doch unter Erwachsenen alles regeln könne, ohne großes Aufsehen zu erregen. Er könne ja auch alles mit einer Verleumdungsklage abtun …

Nach meiner ersten offiziellen Aussage vergingen Jahre, bis ich die Information bekam, dass die internen Nachforschungen zu keinem Ergebnis geführt hätten. Ich solle mich an die Zentrale der Franziskaner in München wenden. Dort bot man mir dann zwar 4000 Euro Entschädigung an, allerdings ohne Anerkennung der Taten. Ich lehnte ab. Von den Männern, die mich missbrauchten, lebt nur noch ein einziger. Und der bleibt bis heute bei seinen Lügen.“

Rainer Graziani (59) aus München

► Rainer Graziani (59) aus München kam 1962 mit zwei Jahren in das katholische Kinderheim St. Marien-Ludwig-Ferdinand. Dort, sagt er, wurde von seinem siebten bis zehnten Lebensjahr sexuell missbraucht. Seine Schilderungen:

„Meine Mutter war krank, sie wurde von ihrem Vater missbraucht. Sie hat mich abgegeben. Erst zu ihren Eltern, dann kam ich ins Heim. Ich war in der Kindheit sehr ängstlich, habe eine Trichterbrust vom Zusammenrollen in der Ecke.

Damals war es so, dass man den Willen des Kindes brechen musste. Oder wollte. Oder sollte. Die Nonnen haben uns geschlagen, wenn wir Angst hatten oder ins Bett gemacht haben. Außerdem schlugen sie mir Zähne aus, vier Stück insgesamt.

Wir wurden zum Essen gezwungen. Einmal habe ich im Speisesaal gebrochen, da schaute mich eine Nonne fies an, sagte, ich solle mich hinknien. Sie holte einen Löffel, ich musste meine Kotze aufessen, vor ihren Augen.

Als ich sieben war, fingen die sexuellen Übergriffe an. Ich musste zu Direktor Franz, wenn ich aufsässig war, in sein Büro mit der schallisolierten Tür, die innen mit Leder bezogen war. Er ließ immer das Radio laufen und onanierte, während er an mir rummachte. Ich rieche das Sperma heute noch.

Damals war ich immer wie gelähmt, konnte mich nicht mehr bewegen. Kurz nach dem ersten Vorfall habe ich zum ersten Mal versucht, mich umzubringen. Ich drückte mir das Kissen auf den Kopf und hielt die Luft an. Ich dachte, ich sterbe, aber es klappte nicht. Als ich mit zehn aus dem Heim kam, war mein Leben im Grunde schon vorbei.

Bis heute habe ich habe ungefähr 30 Mal versucht, mich umzubringen. Seit drei Wochen nehme ich zum ersten Mal in meinem Leben Psychopharmaka. Das wollte ich nie. Aber es hilft. Seitdem schlafe ich bis um sechs. Ich bin sonst immer um zwei Uhr nachts aufgewacht, konnte mich nicht rühren und hatte nur Scheißgedanken von früher.

Ich habe 2012 eine Entschädigung von der Kirche bekommen. 5000 Euro. Außerdem zahlten sie mir meine Therapien. Aber gebracht haben sie nichts.“

Quelle