Dieser Fall zeigt das ganze Dilemma der deutschen Migrationspolitik

18.09.2018 12:43

Der Bäcker Manfred Wagner findet kaum noch Nachwuchs für das Handwerk. Doch der aus Pakistan geflüchtete Sultan ist ein toller Mitarbeiter: Fleißig, pünktlich - und bald weg. Denn er soll abgeschoben werden. Ein Fall, der zeigt, wie kopflos deutsche Migrationspolitik funktioniert.

Bäckermeister Manfred Wagner versteht die Welt nicht mehr. In seiner Backstube in Irsch bei Saarburg in Rheinland-Pfalz arbeitet ein junger Mann, der vorbildlich seinen Job macht. "Der Junge hat seine Arbeit gemacht, er war pünktlich, er war immer da", berichtet Wagner der "SWR Landesschau" (Den Beitrag können Sie in der Mediathek ansehen). "Und dann heißt es auf einmal, er darf nicht mehr." Denn der junge Mann heißt Sultan Mohammad und kommt aus Pakistan. Und obwohl er gebrochen deutsch spricht, integriert ist, einen Job hat und für seinen Chef unverzichtbar geworden ist, soll er abgeschoben werden.

Der Fall des Bäcker-Mitarbeiters Sultan zeigt das ganze Dilemma der deutschen Migrationspolitik. Denn gerade die Handwerksfirmen suchen händeringend nach Auszubildenden. Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sinken die Zahlen neu eingestellter Azubis seit 2010 jährlich immer weiter. Vor allem Bäcker haben es schwer. Bildeten sie im Jahr 2008 noch rund 36.000 junge Menschen aus, waren es 2015 nur noch knapp 19.000. "Wir konkurrieren direkt mit der Industrie", sagt ein Münchner Bäcker  zur "DPA". Auch Bäcker Wagner kennt das Problem. "Wir finden keine Leute mehr zum Arbeiten. Keiner will mehr nachts um ein Uhr aufstehen. Ja, wo sollen wir denn Leute herkriegen", fragt Wagner im "SWR". "Wenn das so weiter geht, dann werden die kleinen Betriebe alle sterben."

Migration in Deutschland: Abschiebung statt Arbeit

Trotz guter Wirtschaftsleistung keinen Nachwuchs finden - das ist die bittere Realität in Deutschland. Auf der anderen Seite gibt es Männer wie Sultan, die arbeiten wollen. Er kam nach Deutschland, weil er vor der den Taliban geflohen sei, erzählt er. Die hätten seinen Bruder ermordet. Seine Mutter habe zu ihm gesagt: "Du bist als nächstes dran, geh", zitiert der "Volksfreund". In Deutschland bekam Sultan eine Arbeitserlaubnis, während sein Asylverfahren geprüft wurde. Und er kniete sich rein. "Ihm ist nichts zu viel. Er packt überall mit an und arbeitet mit Leib und Seele", sagt Wagner. Doch damit ist jetzt Schluss. "Ich bin traurig. Nicht mehr arbeiten, aber ich will arbeiten", sagt der 27-Jährige. Er finanziert sich selbst, wohnt in einem gemieteten Zimmer, zahlt Steuern und kommt gut mit seinen Kollegen aus. 

Geflüchtete wie er werden als Arbeitskräfte gebraucht. Zahlen aus dem Mai 2018 belegen, dass rund 300.000 Menschen aus den acht Haupt-Asylländern, die nach Deutschland geflüchtet sind, einen Job haben - rund 130.000 Menschen mehr als im Vorjahr. "Das sind Zahlen, die sind gut. Dafür, dass die Menschen aus humanitären Gründen gekommen sind und nicht, um hier einen Job zu finden",  sagt der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. 

"Volkswirtschaftlicher Unsinn"

Doch was bringen diese Jobs und die Integration, wenn die Menschen dann abgeschoben werden? Dagegen mehrt sich nun Widerstand. So sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft,  Michael Hüther, erst kürzlich zur "Bild": "Wer bereits im Land ist, muss aus dem Asyl-System ins System der Einwanderung von Fachkräften wechseln können", sagte Hüther. "Bisher verhindert das Gesetz diesen Spurwechsel. Ist der Krieg im Herkunftsland vorbei, droht, dass ein oft gut integrierter, geschätzter Kollege mit sicherem Einkommen das Land verlassen muss. Das überzeugt nicht, es ist volkswirtschaftlicher Unsinn!" Neben Flüchtlingsinitiativen sind es inzwischen auch Firmen, die diese Regelung kritisieren, wie der Outdoor-Hersteller Vaude oder die Schraubenfirma Würth.

Die Politik streitet nun über den Spurwechsel - dadurch sollen Geflüchtete, die integriert sind und arbeiten, aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration wechseln können. Einer der Kritikpunkte: Die Politik will kein Anreizverfahren für Migranten schaffen. Eine Stichtagregelung könnte diese Sorgen nehmen. Noch wird hitzig darüber debattiert, wie das Dilemma zu lösen ist. 

Manfred Wagner scheinen diese Diskussion nicht mehr helfen zu können. Die zuständige Ausländerbehörde argumentiert, dass Pakistan als sicheres Herkunftslands gilt - egal, ob Sultan nun einen Job hat oder nicht. Er muss gehen - wann ist allerdings unklar. Die Handwerkskammer unterstützt den Bäckermeister und seinen Nachwuchsmitarbeiter. "Wir brauchen Helfer. Wie sollen wir sonst die Arbeit machen?", fragt Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller im "SWR". "Jeder, der nach Deutschland kommen möchte, sich nichts zu Schulden kommen lässt und hier eine Arbeit nachweisen kann - warum dürfen diese Menschen nicht bleiben?" Er wünscht sich, dass es Regelungen gibt, die ins Einwanderungsgesetz eingebaut werden, die einen Arbeitsplatz als Grundvoraussetzung festhalten. Ohne Reform sieht er schwarz: "Das System stimmt nicht." 

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