Darmspülung: Riskant und ohne medizinischen Nutzen?

27.08.2018 12:54

Das Prinzip der Darmreinigung ist alt – relativ neu ist die Idee, dadurch das Wohlbefinden zu steigern und die Gesundheit zu fördern. „Entgiftung“ und „Entschlackung“ sind die Zauberwörter, mit denen für das Verfahren geworben wird. Wir erklären, was hinter der Darmreinigung steckt – und welche Risiken davon ausgehen.

Der Darm ist in jüngster Zeit vom unsichtbaren Organ zum Superstar unseres Körperinventars aufgestiegen. Zur Recht, denn seine Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden wurde lange unterschätzt. Tatsächlich hat das Organ großen Einfluss auf unsere Körperabwehr (in der Darmschleimhaut sitzen unzählige Immunzellen), unsere Psyche und sogar auf unser Essverhalten.

In der sogenannten Alternativmedizin ist die Annahme verbreitet, dass eine Reinigung des Darms seine Funktion und Gesundheit fördert. Vermeintliche Schadstoffe, Gifte oder Ablagerungen sollen über den Darm aus dem Organismus geleitet werden. Vor allem eine bessere Verdauung, aber auch ein gesteigertes Wohlbefinden sollen das Ergebnis sein.

So funktioniert eine Darmreinigung

Ist von Darmreinigung die Rede, ist eigentlich eine Darmspülung gemeint. Eine Flüssigkeit – meist Wasser mit oder ohne Zusätze – wird rektal in den Darm eingebracht. Dafür gibt es eine Reihe von einfachen Apparaten (Irrigator, Klistier), die entweder ein Mal oder nach Sterilisation mehrmals verwendbar sind.

Das Prinzip ist immer dasselbe: Die Darmwand wird durch die eintretende Flüssigkeit gedehnt. Dieser Dehnungsreiz bringt den Darm sehr schnell dazu, sich zu entleeren. Das Verfahren wird so lange wiederholt, bis die Flüssigkeit klar wieder austritt.

Grundsätzlich spricht man von „Einlauf“, wenn Flüssigkeit über das Rektum in den Darm eingebracht wird. Wichtig: Beim Einlauf kommen zwischen 500 und 2.000 Milliliter zum Einsatz. Eine Darmspülung soll einen größeren Abschnitt des Darms erreichen und braucht dafür wesentlich mehr Flüssigkeit. Etwa 60 Liter werden in Etappen in den Körper ein- und wieder ausgeleitet.

Einsatz in der Medizin

Einläufe sind in der Medizin ein bewährtes Mittel, um akute Verstopfungen zu lindern, und können auch zuhause selbst durchgeführt werden. Viele Schwangere führen vor der Geburt mithilfe eines Einlaufs ab.

Eine Darmreinigung wird dagegen zu medizinischen Zwecken durchgeführt, um den Darm auf eine endoskopische Untersuchung (Darmspiegelung) vorzubereiten. Veränderungen der Darmschleimhaut sind nur gut erkennbar, wenn der Darm entleert und sauber ist. Diese Art von Darmspülung wird unter ärztlicher Kontrolle zuhause oder ambulant in der Regel einen Tag vor der Untersuchung durchgeführt.

Darmreinigung als Therapie oder Prävention?

Viele Anhänger der Naturheilkunde gehen davon aus, dass sich Darmreinigungen als Therapie bei oder Vorbeugung von körperlichen Beschwerden einsetzen lassen. Die meisten Ärzte und Wissenschaftler sehen dies jedoch sehr kritisch.

Dass der Körper Schlacken (Rückstände aus Stoffwechselprozessen) oder Gifte (aus der Nahrung oder Umwelt) irgendwo lagert, ist eine weitverbreitete Annahme. Bis dato konnten Forscher allerdings weder irgendwelche schädlichen Überreste im Körper aufspüren, noch den Erfolg von Reinigungsmaßnahmen, die diese ausleiten sollen, bestätigen.

Hinzu kommt: Unser Organismus verfügt eigens über ReinigungsorganeNiere und Leber. Sind diese Organe gesund, sorgen sie permanent dafür, dass nicht verwertbare Stoffe sowie Schadstoffe den Körper innerhalb weniger Stunden wieder verlassen.

Risiken der Prozedur

Dass unser Darm von Zeit zu Zeit gereinigt werden müsste, entbehrt jeder medizinischen Begründung. Im Gegenteil: Das komplexe Zusammenspiel der Bakterien im Darm und seine empfindliche Schleimhaut sind sehr anfällig für Störungen von außen. Mediziner warnen vor dieser Praktik und insbesondere davor, sie zuhause selbst anzuwenden.

Darmspülungen können – vor allem, wenn sie nicht richtig durchgeführt werden – zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen haben:

  • Übelkeit und Erbrechen,

  • Bauchschmerzen und Durchfall,

  • Störungen des Elektrolythaushalts und Austrocknung,

  • Nierenversagen,

  • Darmperforation,

  • Herzinsuffizienz sowie

  • schwerwiegende Infekte.

Die Finger davon lassen sollten auf jeden Fall Patienten, die unter Morbus Crohn,Colitis ulcerosa, entzündlichen Ausstülpungen der Darmwand (Divertikulitis), Hämorrhoiden sowie Nieren- oder Herzerkrankungen leiden. Auch wer erst vor Kurzem eine Darmoperation überstehen musste, sollte keine Darmreinigung über sich ergehen lassen.

Wohlbefinden steigern – lieber ohne Darmspülung

Unser Darm ist kein Objekt, das verschmutzt und regelmäßig gereinigt werden müsste wie ein Zimmer oder ein Auto, sondern ein hoch komplexes und empfindliches Organ. Ist er aus dem Tritt geraten und führt dies zu Beschwerden, gibt es zahlreiche Mittel und Wege, ihn wieder ins Lot zu bringen. Eine ärztliche Anleitung und Beratung ist dafür jedoch die Voraussetzung. Wer auf eigene Faust in die sensible Darmflora eingreift, indem er sie mit Wasser verdünnt oder gar „wegspült“, geht ein großes Risiko ein. Um die Gesundheit zu fördern und sein Wohlbefinden zu steigern, kann man getrost auf Darmspülungen verzichten. Gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und viel Bewegung reichen dafür völlig aus.

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