Baerbock fliegt Linie: die dezente neue Reise-Strategie der Außenministerin

16.02.2022 10:55

Nein, der Regierungsflieger musste nicht wegen einer Technikpanne in Berlin bleiben. Dass Außenministerin Annalena Baerbock zu ihrem Antrittsbesuch in Madrid per Linienflug anreiste, war volle Absicht – und soll die Regel werden.

Dienstag, 10 Uhr Madrid. Sechs Grad, aber strahlende Sonne. Außenministerin Annalena Baerbock erscheint zum Antrittsbesuch beim spanischen Amtskollegen Albares. Doch der A320 hinter ihr trägt nicht den üblichen schwarz-rot-goldenen Streifen der deutschen Regierungsflieger, sondern das gelbe Logo der spanischen Airline Iberia. Die Außenministerin fliegt Linie. Zum ersten Mal.

Es ist ein Test, aber die Ministerin will – wo immer es Protokoll und Sicherheitslage zulassen – zumindest auf kürzeren Trips innerhalb Europas per Linie fliegen, statt eine eigene Regierungsmaschine in die Luft zu bringen. Für mehrtägige Reisen mit verschiedenen Destinationen wie vergangene Woche ihre erste Reise in den Nahen Osten käme das freilich nicht infrage, heißt es heute aus Delegationskreisen.

"Dahinter steht die bewusste Entscheidung, die Möglichkeit zu prüfen, Linienflüge zu nutzen, wo immer es aus terminlichen und logistischen Erwägungen machbar ist, um damit den CO2-Ausstoß auf solchen Auslandsreisen möglichst gering zu halten", sagte Christofer Burger, Sprecher des Auswärtigen Amtes, auf der Regierungspressekonferenz am Montag in Berlin.Doch das Reisen per Linie birgt auch Herausforderungen: Zwar nahmen auf dem Hinflug Büroleiterin und Sprecherin neben der Ministerin vorn in der Businessclass Platz, aber ungestört Besprechungen abhalten, geheime Verschlusssachen lesen oder gar Telefonate führen – keine Chance.

Hinzukommt: Die Flüge sind alles andere als flexibel. Das rächt sich gerade in Krisenzeiten wie diesen. So musste die Außenministerin heute früher nach Berlin zurück für weitere eilige diplomatische Gespräche in Sachen Ukraine-Konflikt. Ein geplanter Besuch in einem spanischen Frauenhaus musste dafür leider ausfallen.

Drei ausgebaute Airbus-Maschinen für Bundespräsident, Kanzler und Minister

Wenn es um die Beförderung im Luftraum geht, bewegt sich das politische Spitzenpersonal der Bundesrepublik normalerweise in einer komfortablen Parallelwelt. Der eigene Flieger ist ein Statussymbol. "Ein ganzes Flugzeug nur für mich", staunte etwa Joachim Gauck an Bord des Regierungs-Airbus, der ihn 2012 wenige Tage nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten zu seiner ersten Dienstreise nach Stockholm brachte.  

Drei speziell ausgebaute Airbus-Maschinen der Flugbereitschaft stehen Bundespräsident, Kanzler und Ministern zur Verfügung: mit großen Besprechungsräumen, Arbeitsplätzen, Schlafkammer, Duschkabine – und mit viel Platz für die wenigen Passagiere. Eingestiegen wird in einem eigens für die Regierung gebauten Flughafengebäude fernab der Warteschlagen im Hauptterminal. 

Bundesflieger verbrauchen 2019 so viel CO2 wie eine ganze Stadt

Durch die Nutzung eines Linienfluges statt eines Sonderfluges werden Emissionen eingespart. Zudem werden, wie bei allen Dienstreisen der Bundesregierung, im Nachhinein CO2-Ausgleichszahlungen geleistet – ganz egal, mit welchem Verkehrsmittel sie stattfinden. Abgerechnet wird über die Deutsche Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt. Das Bundesverteidigungsministerium hatte 2019 einmal errechnet, dass sich der CO2-Ausstoß für die Flüge der Regierung mit der Flugbereitschaft in den vorangegangenen zwölf Monaten auf gut 40.000 Tonnen summierte – so viel wie der Ausstoß einer mittleren Stadt. 

Verschärfend kommt hinzu, dass die Maschinen der Flugbereitschaft auf dem Flughafen Köln-Wahn stationiert sind – und immer erst rund 500 Kilometer weit nach Berlin fliegen müssen, wenn die Regierung sie dort braucht. 78 Prozent dieser so genannten Bereitstellungsflüge erfolgen ganz ohne Passagiere, wie das Verteidigungsministerium erst vor wenigen Wochen mitteilte. 

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