Arbeit verdirbt den Charakter – warum im antiken Griechenland das Arbeiten verpönt war

23.04.2019 15:28

Die alten Griechen haben allerlei Großes hervorgebracht. Die Demokratie, große Mathematiker und Philosophen, doch das Arbeiten haben sie nicht erfunden. Denn der antike Bürger arbeitete nicht, wenn er was auf sich hielt. Das konnten andere machen.

Die Antike war eine großartige Zeit. In der Medizin wurden Entdeckungen gemacht, von denen wir noch heute profitieren. Philosophen versuchten, den Sinn des Seins zu ergründen, und warfen Fragen auf, über die wir heute noch trefflich grübeln und streiten können. Unser politisches System, die Demokratie, also die Herrschaft des Volkes, wurde in der Antike geboren. Und jeder, der sich in der Schule mit Ach und Krach durch den Mathematikunterricht gequält hat, verzweifelte ein wenig am Satz des Pythagoras. 
Es ist erstaunlich, dass eine Zeit, die weit über 2000 Jahre in der Vergangenheit liegt, noch so präsent ist. Und Weisheiten, Erkentnisse und Lösungen von damals noch heute gelten. Eines haben aber die feinen Herren des antiken Griechenlands sicherlich nicht, im heutigen Sinne des Wortes, erfunden: das Arbeiten. 

Arbeiten gilt als moralisch minderwertig

Arbeit war in Antike ein ambivalentes Thema. Denn Schinderei für den Broterwerb galt als unfein. "Arbeit ist in der Antike aufs engste mit dem Charakter des Arbeitenden verbunden. Wer gezwungen ist, eine niedrige Tätigkeit auszuüben, insbesondere Geldgeschäfte zu betreiben, gilt als moralisch minderwertig", so Michael Stefan Aßländer, Professor für Sozialwissenschaften. Er bündelt drei grundlegende Thesen zum Verständnis zum Thema Arbeit in der Antike: 1. Arbeit ist eines freien Mannes unwürdig; 2. Es gibt eine klare Hierarchie verschiedener Tätigkeiten; und 3. Minderwertige Arbeit verdirbt den Charakter. 

Die Logik des "freien" Mannes, der unfrei durch Arbeit werden würde, ist in der Gesellschaft der Antike begründet. "Im vorchristlichen Athen kamen teilweise fünf Sklaven auf einen freien Bürger, der im Rat saß, politisierte und philosophierte und die Arbeit mit den Händen verachtete", schreibt der Germanist Hans-Joachim Hahn. "Marcus Tullius Cicero äußerte unverhohlen seine Abneigung gegen Arbeiter: 'Ordinär ist der Lebensunterhalt des gedungenen Arbeiters, den wir für bloße Arbeit mit den Händen ausbezahlen. Alle Handwerker haben ein ordinäres Gewerbe'." Schuften, mit Händen? Für den freien Bürger keine standesgemäße Betätigung. "Es muss einem freien Mann möglich sein, in Anstand und Würde von seinen 'Einkünften' leben zu können, ohne dabei direkt auf Arbeit angewiesen zu sein", schreibt Aßländer. "Das Ideal der Antike war das Ideal des freien Mannes, der auch frei von materiellen Sorgen sich um die Belange der Polis oder des Staates kümmern konnte, und der verantwortungsvoll in Rechtsprechung und Politik an der Gestaltung der Gemeinschaft mitwirkte. Frei bedeutet dabei sowohl frei von materiellen Sorgen, wie auch frei von der Vormundschaft anderer. Wer aber für andere arbeitet, ist deren Befehl unterworfen." Auch der berühmte Philosoph Aristoteles lehnte Lohnarbeit ab: "Als eine banausische Arbeit… hat man jene aufzufassen, die den Körper oder die Seele oder den Intellekt der Freigeborenen zum Umgang mit der Tugend und deren Ausübung untauglich macht. Darum nennen wir alle Handwerke banausisch, die den Körper in eine schlechte Verfassung bringen, und ebenso die Lohnarbeit. Denn sie machen das Denken unruhig und niedrig."

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