Achtsamkeit: Der Weg zu mehr Gelassenheit

17.04.2020 14:43

Höher, schneller, weiter: Vor lauter Stress wissen wir oft gar nicht, wo uns der Kopf steht. Übungen zur Achtsamkeit sorgen für innere Ruhe und Entspannung.

Unser Körper kann einen hohen Stresspegel gut aushalten. Allerdings nur, wenn wir ihn regelmäßig in den Ruhemodus versetzen. Tun wir das nicht, gerät unser vegetatives Nervensystem aus dem Gleichgewicht. Es ist dafür zuständig, unbewusst ablaufende Funktionen wie die Atmung, den Herzschlag und die Magen-Darm-Tätigkeiten zu regeln. Die Folge von zuviel Stress sind z.B. Muskelverspannungen, Magen-Darmgeschwüre, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Migräne.

Es gibt zahlreiche Methoden, um Stress abzubauen und vorzubeugen, darunter Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation – und Achtsamkeit.

Mindfulness Based Stress Reduction“ (MBSR): So nannte der amerikanische Mikrobiologe Jon Kabat-Zinn das Programm, das er Ende der Siebzigerjahre entwickelt hatte. Es besteht aus Elementen verschiedener anderer Techniken, darunter Yoga, Zen und buddhistische Psychologie. Für den Begriff „Mindfulness“ etablierte sich im Deutschen der Terminus „Achtsamkeit“. „Stressreduktion durch Achtsamkeit“ also. Aber wie funktioniert das?

Wie funktioniert Achtsamkeit?

Was muss ich noch machen? Was steht als nächstes an? Ständig dreht sich unser Gedankenkarussell. Im Buddhismus spricht man vom „monkey mind“. Durch Achtsamkeitstraining können wir lernen, den herumspringenden Affen zu stoppen oder wenigstens auszubremsen. Die grundlegende Methode der Achtsamkeit ist, sich auf das zu konzentrieren, was im Hier und Jetzt ist. Was vor einer Minute war oder in einer Stunde sein wird, ist egal. Achtsamkeit schult uns darin, geduldiger zu werden, manche Dinge loszulassen und andere anzunehmen, wie sie sind.

Konkret kann das heißen: Muss ich mich über jede Kleinigkeit aufregenLohnt sich der Stress, jetzt einen Streit zu beginnen oder die Stimmung kaputt zu machen?
Ein Beispiel: Sie kommen müde nach Hause, und Ihr Sohn hat seine schmutzigen Strümpfe im Flur liegen lassen. Schon wieder! Oder: Ein anderer Autofahrer hat Ihnen die Vorfahrt genommen,  Sie konnten gerade noch rechtzeitig bremsen. Normalerweise würden Sie jetzt in Schimpftiraden ausbrechen? Dann fragen Sie sich einmal Folgendes: Würde das etwas an meiner aktuellen Situation ändern? Und würde mich diese Sache auch morgen, in einer Woche oder in einem Monat noch ärgern?

Das ist das Ziel der Achtsamkeit: Wir nehmen aufmerksam wahr, was jetzt gerade ist, ohne es zu bewerten und ohne sofort zu reagieren bzw. etwas zu verändern. Es gibt unzählige Übungen zur Achtsamkeit. Wir stellen Ihnen eine Auswahl vor, mit der Sie mehr Gleichmut und Gelassenheit gewinnen.

Übungen zur Achtsamkeit

Für alle Übungen gilt: Es ist nicht schlimm, wenn Ihre Gedanken abschweifen und der “monkey” herumspringt. Versuchen Sie einfach, ihn immer wieder zurückzuholen ins Hier und Jetzt.

Nehmen Sie eine bequeme Haltung ein, egal ob sitzend oder liegend. Schließen Sie die Augen und atmen Sie tief und gleichmäßig ein und aus. Tipp: Zählen Sie im Kopf mit – „eins ein …. eins aus … zwei ein … zwei aus ….“, und so weiter.

Meditieren

Es gibt verschiedene Arten der Meditation. Eine Möglichkeit: Schließen Sie die Augen und denken Sie an einen Ort, an dem Sie sich besonders wohl und entspannt fühlen, zum Beispiel am Meer. Machen Sie sich bewusst, wie es sich anfühlt, dort zu sein. Hören Sie das Rauschen der Wellen, das Kreischen der Möwen und spüren Sie den Wind im Gesicht und das Salz auf Ihren Lippen.

Bodyscan

Beim Bodyscan wird der Körper von Kopf bis Fuß langsam abgetastet. Dabei ist es wichtig, sich auf die Empfindungen und Gefühle bei einzelnen Körperstellen zu konzentrieren. Der Fokus liegt darauf, Spannungen, Schmerz oder Wohlempfinden bewusst wahrzunehmen. Die empfundenen Gedanken sollen nicht einfach ignoriert, sondern aufgenommen und weiterverarbeitet werden.

Sich selbst bewusst wahrnehmen

Spüren und horchen Sie in sich hinein. Fragen Sie sich: Was denke ich gerade, was empfinde ich? Wie geht es mir im Hier und Jetzt, und gibt es etwas, das ich tun kann, damit es mir (noch) besser geht?

Auf einzelne Farben konzentrieren

Ob am Flughafen oder in der U-Bahn: Große Menschenmengen können ganz schön stressen. Wenn der Puls hoch geht: Blicken Sie sich um und achten Sie bewusst auf eine bestimmte Farbe. Sie werden sie in der Kleidung der Menschen, auf Werbeplakaten und Sitzmustern erkennen. Alles andere – Gesprächsfetzen, Handygebimmel und Co. – blenden Sie so aus.

Geräusche wahrnehmen

Konzentrieren Sie sich nun mit geschlossenen Augen auf Geräusche in Ihrer Umgebung. Ob das Ticken der Uhr oder Stimmen, Autos oder andere Geräusche, die von draußen nach innen dringen: Sie werden plötzlich Dinge hören, die Sie sonst gar nicht wahrnehmen.

Achtsam essen

Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie essen. Kauen Sie langsam, schmecken Sie bewusst. Ablenkende Computer- und Fernsehbildschirme sollten dabei nicht in Sichtweite sein.

Alltägliche Gegenstände bewusst wahrnehmen

Nehmen Sie zum Beispiel eine Nuss in Ihre Hand. Wie sieht sie aus, wie riecht sie, wie fühlt sie sich an und wie schmeckt sie, wenn ich sie auf meine Zunge lege? Eine Alternative: Betrachten Sie mehrere Minuten lang ein Gemälde oder eine Fotografie. Fragen Sie sich: Was sehe ich, welche Formen, Farben, etc. stechen hervor? Welche Emotionen löst das Bild in mir aus?

Momentbezogenes Innehalten

Die detaillierte Wahrnehmung von Momenten ist ideal in den Alltag einzubinden. Das kann während des Kaffees am Morgen oder in der Straßenbahn sein. Auch Wartesituationen, wie beim Arzt oder am Bahnhof, eignen sich, um die Umgebung detailliert zu beobachten und in sich aufzunehmen. Diese Übung ist enorm effektiv und hält den Kopf davon ab, sich im Augenblick zukünftigen Problemen, schwierigen Gesprächen oder unangenehmen Situationen zu widmen.

Signaltöne festlegen

Um Achtsamkeit als elementaren Bestandteil eines ausgeglichenen Lebens zu verwirklichen, ist es wichtig, sich daran zu erinnern. Signaltöne können gestellte Wecker, eine Auto-Hupe, das Öffnen einer Tür oder der Glockenschlag des Kirchturms sein. Sie sollen dazu führen, dass wir uns daran erinnern, unserem Leben mit Achtung zu begegnen und uns selbst im Moment des Signals die Zeit zu geben, uns zu besinnen.

Entspannter leben dank Achtsamkeit

Achtsamkeitsübungen helfen nachweislich dabei, Lebenssituationen zu akzeptieren. So können Schmerzpatienten besser mit ihren Beschwerden umgehen. Chronisch unzufriedene Menschen können lernen, mit dem, was sie haben, zufriedener zu sein, statt immer nur zu vergleichen, was andere haben.

Außerdem tragen Achtsamkeitpraktiken dazu bei, Stress abzubauen und zu verhindern, indem wir uns bewusst machen, was uns gerade wirklich wichtig ist, und uns fragen: Was kann ich tun, damit es mir im Hier und Jetzt möglichst gut geht? Klar: Manchmal fühlen wir uns einfach besser, wenn wir laut schreien und richtig Dampf ablassen. Ziel des Achtsamkeitstrainings ist aber, eine unangenehme Situation lediglich zur Kenntnis nehmen, sie nicht zu bewerten und nicht darauf zu reagieren. Manchmal muss man einen dreckigen Strumpf  einen dreckigen Strumpf sein lassen. Steigen Sie einfach drüber!

Quelle