18-Jährige überlebt Kopfschuss: Mit dem Gesicht einer Fremden erhält sie eine zweite Chance

07.11.2018 13:42

Mundwinkel, die sich sanft nach oben ziehen. Ein stechender Blick unter zusammengezogenen Augenbrauen. Glasige Augen, aus denen salzige Tränen kullern und Spuren zu den zittrigen Lippen ziehen. Glück, Zorn, Freude: Unser Körper ist der Übersetzer der Sprache unserer Gefühle. Sein verlässlichstes Werkzeug befindet sich direkt vor dem Gehirn, wo im limbischen System die Emotionen gemeißelt werden.

Das Gesicht ist das Fenster zu unserer Persönlichkeit, das Spiegelbild unseres selbst. Im Gesicht, ob wir möchten oder nicht, kommt unsere Identität zum Vorschein. Wird uns das Gesicht genommen, verschwindet sie nicht, doch wird unsichtbar.

Katie Stubblefield wurde unsichtbar. Sie machte sich unsichtbar, als sie den Abzug eines .308 Kaliber Jagdgewehrs betätigte. Nun hat das Magazin National Geographic ihre Geschichte erzählt.

Warnung: Die Bilder von Katies Reise mögen schockieren, doch sie sind ein wesentlicher Teil einer Geschichte, die nicht unerzählt bleiben darf.

Die Textnachricht eines anderen Mädchens auf dem Handy ihres Freundes bereitete Katies jungem Glück ein jähes Ende. Als sie ihn konfrontierte, machte er Schluss. Für die Jugendliche machte das Leben keinen Sinn mehr, und sie traf eine Entscheidung, die ihr Leben aus den Bahnen warf.

Sie holte sich das Jagdgewehr ihres Bruders Robert, drückte sich den Lauf gegen ihr Kinn – und betätigte den Abzug. Doch anders als geplant, starb sie nicht.

Katie überlebte den Kopfschuss, doch die Kugel hatte verheerenden Schaden angerichtet. „Ihr Gesicht war weg,“ erinnert sich Robert.“

In einem emotionalen Interview mit der BBC lässt Katies Vater die Worte der Ärzte im Krankenhaus Revue passieren. „Sie wird nie wieder essen, nie wieder trinken, sich nie wieder baden, sich nie wieder unter halten können, sie wird einfach nur dahinvegetieren und den Rest ihres Lebens in einer Pflegeeinrichtung verbringen.“

Der Gedanke an diese Zukunftsaussichten bereitete der Familie schlaflose Nächte. Dass sich Katie dieses Leid selbst zugefügt hatte, wog besonders schwer auf ihr und ihren Liebsten.

„Ich erinnerte mich vollständig an das, was ich getan hatte. Ich dachte, ‚Wie konnte ich mir das antun‘ Aber noch wichtiger, ‚Wie konnte ich das meiner Familie antun?'“ so Katie.

Einige Monate lang herrschte Ungewissheit über ihre Zukunft. Würde Katie das Krankenhaus je wieder verlassen können? Würde sie den Rest ihres Lebens auf Hilfe angewiesen sein? Wie würde sie aussehen?

Ein Team von Ärzten gab Katie eine zweite Chance: die Aussicht auf ein zweites Gesicht. Katie wusste zunächst nicht, was sie von der Idee halten sollte, doch eine andere Chance hatte sie nicht.

„Es gab die Chance, mein Leben und mein Gesicht zurück zu bekommen. Zunächst war es eine sehr schwierige Entscheidung, weil ich wusste, dass jemand sterben musste, damit ich dieses Gesicht bekommen würde,“ meinte sie. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr akzeptierte sie die Idee eines neuen Gesichts.

Eine zweite Tragödie

Wie erwartet begann auch Katies zweite Chance mit einer Tragödie. Sandra Bennington verliert ihre 31 Jahre alte Enkeltochter an eine Drogenüberdosis. Ihre Entscheidung, Adreas Gesicht zu spenden, ermöglicht Katies Neubeginn.

Als der Moment der Transplantation drei Jahre und 22 vorbereitende Operationen später gekommen ist, nehmen sich 11 Chirurgen in einer mehr als 30 Stunden dauernden OP der Sache an. Der Eingriff ist ein Erfolg, doch der Weg bis dorthin war steinig.

„Wir wurden mehrmals gefragt, warum wir diese Geschichte drucken, obwohl vor allem die Fotos nicht ganz leicht zu verkraften sind“, meint Jens Schröder, der Chefredakteur der deutschen Version des National Geographic. „Die Antwort ist: Weil diese Reportage eine Hommage an den menschlichen Überlebenswillen ist. Und an die unglaubliche Kunst der modernen Chirurgie, über die man Staunenswertes lernt.“

Im Video könnt ihr die Arbeit der Ärzte bewundern:

Mit einer Impulsentscheidung hätte sich Katie beinahe das Leben genommen. Doch selbst im Angesicht der schlimmsten Diagnose kämpfte sie sich zurück ins Leben.

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Quelle